Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

Nacht war s, da ist der Schlaf über ibn gekommen, ehe er sich's versehen hat: bei Tage hat das Schlafen nicht viel ansgegeben, und Matthias ist erst er ­ wacht, wie er die Ehhalten im Hofe hat arbeiten gehörst Aufkommen nnd hinanseilen war eins. Ängstlich schaut er herum und beruhigt sich erst, wie er ­ den Jakob erblickt, der frisch wie ge ­ wöhnlich im Hofe hernmkommandiert nnd dann selber auf denWagen springt und mit lautem Peitschenknallen durchs weitoffene Hoftor hinausjagt. Die Beruhigung des Matthias hat aber nicht langer gedauert als bis zum Mittag. Da ist der Förster Zauner zum Wendlehner gekommen, hat seine Büch ­ sen wild in die Ecken gestellt, sich auf die Bank geworfen und auf den Tisch gehaut, daß der Bauer und der Mat ­ thias gleich gewußt haben, was wieder geschehen ist. DemBurschen ist's eiskalt übers Herz gelaufen, während der Bauer den Forster zn beruhigen ver ­ sucht hat. Der aber war diesmal nicht zu be ­ ruhigen, das schönste Tier im Wald — sein Stolz — der große Zwölfender war ihm in dieser Nacht weggeschossen worden und war verschwunden mitsamt dem Wildschützen, daß man hätte an Gespenster und Höllenspuk glauben mögen. Aber — es soll das letzte Tiersein, das ihm der miserable, gottver ­ fluchteWilddieb geholt habe, schwur er, und sollte er von heute an Nacht für Nacht selber im Walde hernmstreifeu und, schwur er weiter, hat er den Kerl einmal nur mit einem Auge erblickt, dann gnade ihm Gott, er würde kein Erbarmen für ihn haben und in nieder ­ schießen wie ein gefährlichesManbtier. Der Bauer wußte dem Förster auf seine Zornesansbrüche nichts zu ant ­ worten; denn er fühlte, daß dieser ein Recht hatte zu solchen: Zorne. Ter Matthias wußte noch weniger zu sagen, wenn er selbst gewohnt gewesen wäre, je ii: etwas dareinznreden. Aber er ­ kannte es auch nimmer mit anhören, sondern ging hinaus und eilte dann die Dorfgasse entlang hinüber aufs Feld, feinen Bruder aufzusuchen und zu warnen. Er traf den Jakob mit dem Wagen schon auf den: Rückwege. Aber nickst allein. Zwei Dirndln saßen mit auf den: Wagen und schäkerten nnd lachten und der Jakob mit ihnen, und sie fuhren an demMatthias vorüber, wel ­ cher dem Wagen mit so arg beklom ­ menem Herzen nachging, als hätte er die Last auf dem Gewissen und nicht sein Bruder. AIs er am Hof ankam, war der Förster nicht mehr da, und Jakob stand bei einer Arbeit und pfiff lustig vor sich hin. Matthias blickte verstohlen um ­ her und trat dann rasch ans seinen Bruder zu. „Jakob!" flüsterte er hastig. „Der Förster war da." „Schweig!" herrschte ihn Jakob an. „Jakob, um deines Seelenheiles willen!" „Schweig!" gebot Jakob noch ent ­ schiedener. „Und laß dir raten, im Leben nichts mehr von der Sach' anznfangen!" Er sagte das rasch und drohend, ließ den Matthias halb ver ­ blüfft, halb verzweifelt stehen nnd ging ins Haus. Was könnte er tun, den Bruder zu retten? Das war von dieser Stunde an sein Gedanke. Er selbst war zu schwach, zu hilflos dazu, an wen sollte er sich um Hilfe wenden? An den Vater? Ter hatte, soweit er znrückdenken konnte, nut ihm noch nicht zwei Worte hintereinander gesprochen, so daß der arme Bursch eine natürliche Scheu hatte, den Vater nnzusprechen. Und würde ihm dieser überhaupt glauben? Über seinen verzogenen Lieb ­ ling Schlechtes glauben? Nein, gewiß nicht, es wäre umsonst. Sollte er au: Ende den Förster bitten? Nein, nein! das schon gar nicht. Süh' das nicht aus wieVerrat? Verrat an einen: Beamten, der dann seines Amtes walten müßte. Langsam schlichen die Tage für den Matthias hin, welcher seine Bücher ver ­

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