Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

6 Entdeckung, daß er sich nicht hat rühren können, bis ihn ein lauter Knall wieder zu sich gebracht hat, daß er hinter dem Baume vorgesprungen ist. Dort hat der Jakob just einen Bock auf die Achsel schwingen wollen und wie er jemand kommen sieht, greift er zur Büchsen und läßt sie erst sinken, bis er den Matthias erkennt. „Du? Was willst du da?" schnauzte er diesen an. „Jakob! Um Gottes willen, was tust du?" stotterte dieser noch VollerSchrecken. „Hast mir nachfpioniert, du Schleicher !" „Nein, Jakob! Gewiß nicht. Ich hab' ja nicht gewußt, daß du es bist, der aus dem Hof geschlichen ist. Jakob! Jakob! Weißt du, was du tust? Du, der Wendlehner-Jakob! Denk dir, wenn es herauskommt — die Schänd', das Un ­ glück!" , „Willst mich vielleicht verraten?" fuhr Jakob auf. „Kannst du dir das denken? Wär's nicht auch meine Schänd', wenn du ins Zuchthaus müßtest?" Jakob ist auf diese Rede einen Augenblick stillgestanden und hat stier vor sich hingeschaut, dann hat er das toteWild mit einem Ruck aufgeschwun ­ gen und dem Matthias ein kurzes „Komm!" zurufend geht er weiter in den Wald hinein .Matthias folgt ihm durch dick und dünn und staunt, wie der Jakob das schwere Tier so leicht tragt auf dem beschwerlicheilWeg, ohne auch nur zu schnaufen, da über einenGraben springt, dort durchs Gebüsch bricht und jetzt den steilen Berg zum Felsen hin ­ aufsteigt — so rasch, daß ihm der Matthiasmit aller Not hat folgen kön ­ nen. Droben bei dem großen Stein bleibt der Jakob stehen, schwingt den Bock von der Achsel hinunter und schleu ­ dert ihn über den Stein hinüber. Mit angehaltenem Atem sieht Mat ­ thias seinem Bruder zu. --- EineWeile bleibt es ganz still und dann erst hört er's klatschen, wie wenn ein schwerer Körper in der Tiefe auffällt. Er steigt den Stein hinauf zu Jakob und blickt hinab. Ein Gruseln geht ihm durch die Glieder, da er den breiten, tiefen Ab ­ grund vor sich sieht, in welchen hinab ­ zusteigen selbst der Mondschein sich fürchtet. Und wie er so steht und schaut und gruselt, fühlt er, wie sich Jakobs Hand schwer auf seine Schulter legt. Er schaut auf und dem Jakob ins Ge ­ sicht. Das ist so fahl und so verzerrt, daß derMatthias zusammenfährt. Mit einem Blicke hat er gesehen, welcher Teufel in die Seele seines Bruders jetzt eingekehrt ist. Fest richtet er feine Augen auf die des Jakob, schlägt die Hände vor der Brust zusammen und sagt: „Wenn's dein Gewissen beruhigen kann, Jakob, so stoß zu!" Einen heiseren Schrei ausstoßend fährt sich Jakob mit der Hand über die Augen wie einer, der just aufwacht aus bösem Traume, dann schlingt er beide Arme um den Leib seines Bruders, springt mit ihm vom Steine herunter und in den Wald hinein und atemlos fort durch dick und dünn bis zum Steg am Waldrain. Dort setzt er den Mat ­ thias nieder und sinkt selber erschöpft ins Gras. Matthias ging neben dem Jakob hin, nimmt ihm den Hut ab, unter welchem der Schweiß über Stirn und Nacken hervorrinnt, und wischt ihm die Tropfen vom blassen Gesichte. Nach einer Weile steht Jakob auf und finster vor sich hinschauend sagt er, dieweil beide über die Felder dem Hofe zugehen: i „Tu's nimmer, Matthias! Geh' mir nimmer nach!" ! Matthias blieb stehen und sah dem ! Jakob ins Gesicht: „Du willst nicht davon lassen?" „Ich kann's nicht." „Jakob, um Gottes willen! Hast du dir's bedacht, daß es ein schlechtes Ende ' nehmen kann? Du weißt, wie böse der ! Förster ist. Gestern erst hat er dem ! Vater gesagt, er wird alles aufbieten,

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