Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

108 richteten unter den Awaren ein fürchter¬ liches Blutbad an; nur wenigen von ihnen gelang, es sich zu flüchten. Aber auch von diesen wurden die meisten durch Pfeilschüsse niedergestreckt, so daß mit Ausnahme einiger Mann, welche die chlimme Botschaft dann ihren Stammes¬ verwandten überbrachten, die ganze raub¬ lustige Horde tot oder sterbend den Kampf¬ platz bedeckte. Der Jubel von Franken und Wenden wollte kein Ende nehmen als Samo den Auftrag gab ihm die nun befreiten Menschen vorzuführen und seinen Streitern die Erlaubnis erteilte, sich die gemachte Beute zuzueignen und nicht ohne Rührung sahen die rauhen Krieger wie Gisebrecht, stumm vor Freude und dock mit so beredter, den Glücklichen verkün¬ dender Miene das bereits verloren ge¬ glaubte, tapfere Weib und den kleinen Sohn umarmte und dann, als der erste Taumel des wiedergefundenen Glückes vorüber war, mit seinen beiden Lieben vor Samo hintrat und mit leicht zitternder Stimme, ihm sein neues Glück weisend, herzlich sagte: „Habe Dank, ofFremdling, für deine treue und so mächtige Hilfe! Wir kennen nicht deinen Stand und nicht deinen Namen, aber deine große Macht hat mir meine Familie wiedergegeben — Heil und Segen dir allezeit und allerwärts!“ Ueber Samos ernstes Gesicht hatte bei diesen von tiefer Dankbarkeit zeigenden Worten Gisebrechts etwas so wie Rüh¬ rung hinübergehuscht und er betrachtete wohlwollend die drei nun wieder glück¬ lichen Menschen, allein er antwortete nich sogleich — für derlei Gefühlssachen hatte er, der Mann von Eisen, die Worte nicht so rasch zur Hand und da versagtel ihm die sonst wohlgesetzte und zündende Rede. Der Wendenhäuptling Zwentibold enthob jetzt den fränkischen Kaufherin der Worte für die demselben ungewohnte Gefühls¬ sache, indem er zwischen Samo und Gisebrecht trat, seine linke Hand auf den Arm Gisebrechts legte und auf Samo weisend, mit erregt flatternden vielsage nden Blicken in feierlichem Tone sprach: „Freund Gisebrecht, dein und der Deinen, sowie unser Retter aus Awaren¬ not ist dir kein Fremdling, oft hab ich dir von ihm erzählt, von Samo, dem Franken, der uns geknechteten, schwer¬ geschlagenen Wenden bisher ein Bruder war, nun aber — unser Herr ist! Bei euch Franken herrscht die Sitte, daß ihr den tapfersten, den weisesten und wür¬ digsten zum Fürsten wählt und ihn auf den Schild erhebt! Wir Wenden waren bis heute Sklaven ohne ein für uns alle denkendes Haupt, ohne führenden Arm Nun denn, Freund Gisebrecht: Lege deinen Schild hin zu den Füßen Bruder Samos den wir darauf erheben nach der Franken¬ sitte und nach der gesämten Wenden freiem Willen als unseren Fürsten und gebietenden Herrn!“ Ein Murmeln fast nur aber doch Worte der Zustimmung, wurde hörbar im weiten Kreis herum und Gisebrecht legte, die Rede des Wenden und den gewaltigen Augenblick sogleich verstehend den aus dicken Weidenruten fest gefloch¬ tenen Schild gar eilig mit der Außenseite auf den Erdboden vor Samo hin, den kräftige Hände fest und doch so zärtlich und sanft erfaßten und mit gelindem Zwange hindrängten und seine Füße auf den Schild setzten — im nächsten Augen¬ blick hoben starke Arme den Schild rasch und doch vorsichtig mit dem aufrecht da¬ rauf stehenden Samo in die Höhe und aus Hunderten von rauhen Kriegerkehlen erscholl es in heller Begeisterung, in fränki¬ scher und wendischer Sprache, brausend wie Sturmestosen durch die heiße Juli¬ luft, daß sich donnernd brachen an den Wänden der Hügel zwischen der Enns und dem Teufelsbache die inhaltsreichen, schwerwiegenden Worte: „Heil und Segen dir allerwärts und allerorts dir, Bruder Samo — nun mäch¬ tiger Fürst der Wenden Und blanke Waffen blitzten in der Sonne und Franken und Wenden um¬ drängten Samo, der, erst die Hand am Knauf des Schwertes, nun dieses wie schirmend über das ihn umjubelnde Volk schwang und hohe Befriedigung in den festen Zügen seines wetterharten Antlitzes

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