Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

104 kennen zu lassen, daß der sich Nahende kein Aware sei. „Also ein Flüchtling von droben“ dachte Samo und legte den schußbereiten Bogen zur Seite, „will ihm herüber¬ helfen zu mir. Und er stieg zum Wasser hinab ries den unsicher in den Fluten der Steyr ich wiegenden Gisebrecht, denn dieser war der Ankommende, in fränkischer Sprache einige Worte zu, welche Gisebrecht freudig beantwortete und vertrauensvoll die Hilfe gewährende Hand ergriff, die Samo ihm entgegenstreckte, um ihm auf das Gemäuer heraufzuhelfen, wo beide sich angesichts des leuchtenden Feuerbrandes am Hügel oben niederließen und Frag' und Ant¬ worttauschten. „Freund“ sagte endlich Samo nach¬ denklich, „nach Toducha brauchst du nicht um Hilfe zu gehen, die bedürfen solcher ebenfalls sehr dringend. Aber, höre mich wohl an, was ich dir sage, und vertraue mir. Die Awaren sind mit ihrer Beute nicht weit verzogen, sicher nur die Enns ein halb Stündlein aufwärts, wo sie ein Lager haben und die Beute teilen werden, ich kenne dieses Gewürm. Gisebrecht nickte zustimmend. „Also, fuhr Samo ruhig, aber sicher im Tone fort, „du kennst diese Räuber ja auch. Schön! Brauchst also für dein Weib und dein Kind nichts zu fürchten dermal, die Beute wird erst am hellen Tage verteilt und ihr Chan, mein alter Bekannter und Galgenvogel Baian, wird sich mit Muße die schönsten der Gefangenen aussuchen, der versteht sich darauf! „Wehe ihm“ brauste Gisebrecht bei diesen Worten auf, „ich bringe ihn um wählt er sich mein Weib, und so auch jeden andern, der dies wagt zu tun! „Wurm, verliebter, armer Wurm, du“ sagte Samo höhnisch und lachte rauh aber seine Worte waren dabei nicht ab¬ stoßend gegen den vor Aufregung schwer atmenden Gisebrecht, „sie pfählen dich, eh du in ihr Lager eindringen kannst! „Mein Gott, was soll ich nur tun? murmelte Gisebrecht kleinlaut, denn er sah ein, daß Samo die Awaren gründlich kannte und dessen kalte Ueberlegung, mit der er sprach, ihm Vertrauen einflößte „Unterbrich mich nicht immer, Lands¬ mann, sagte Samo, nicht ohne Auflug von guter Laune, „seufzen und stöhnen hilft nichts — tu', was ich dir jetzt sagen werde! Und Samo redete lange und eindring¬ lich auf Gisebrecht ein, welcher durch zu¬ stimmendes Kopfnicken seine Bereitwillig¬ keit zu erkennen gab, Samos Anweisungen zu folgen. „So, schloß Samo, „also, unterm breiten Berg da drüben sammeln sich die Meinen. Ich gehe, um die Awaren zu bespüren. Ihr alle wartet wohlverdeckt im Walde, bis ihr mein Zeichen seht: eine halbe Stunde von hier die Enns aufwärts am linken Ufer wird ein Weiden¬ busch zu brennen beginnen, dann herüber Die Enns ist nieder, ich erwarte euch. Aber merk' genau, von dem, was ich dir jetzt gesagt, hängt das Gelingen der Sache ab, schärf' das meinen Leuten und den Wenden ein! „Ich werdegenau nach deinen Weisungen handeln,“ beteuerte Gisebrecht, der wieder Hoffnung schöpfte und sich vollständig gefaßt hatte, „aber verzeih', werden deine Leute, werden die Wenden mir glauben? Ich kenne dich nicht und sie kennen mich nicht!“ „Wahr,“ sagte Samo ausweichend, „mein Name tut nichts zur Sache. Du bist unbewehrt, hier hast du meinen Bogen und meinen Köcher, zeige sie meinen Leuten und dem Wenden Zwentibold, das wird genügen, sie kennen meine Waffen. Damit übergab er seine Waffen an Gisebrecht und drückte ihm vielsagend die Hand Dann stieg Samo hinab zum Wasser. Schon benetzte dieses seine Stiefel als er sich umwandte und dem ihm mit sehr verschiedenen Gefühlen nachsehenden Gisebrecht halblaut und sehr vertraulich zurief „Höre, Freund aus Franken! Unter den Kriegern Zwentibolds wird auch ein Weib sein, dessen Schwester Petka. Sie gilt mir mehr als zehn Männer und hat Mut selbst gegen den Teufel. Sie

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2