Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

sich ernüchtern und aufspringen, als durch dieses Wort von so furchtbarem Klange für Franken und Slawen.!) „Wo?“ fragte Samo rauh und kurz. Statt einer Antwort wies Zwentibold nach dem Feuerschein am Hügel droben, den der Franke einige Augenblicke stumm betrachtete. Dabei ging in seinem Wesen eine merkwürdige Veränderung vor. Am Abend vorher in seinem Gehaben noch eine Mischung von Kaufmann und Krieger von Schlauheit, Verträglichkeit und doch festem Willen bei großer Freundlichkeit und Gleichheit gegen seine slawischen Freunde, wurde seine ganze in so viele verschiedene Eigenschaften zersplitterte Natur jetzt plötzlich einheitlich und wie er sich jetzt streckte, ein Riese an Gestalt, und die Hand an den Schwertgriff fuhr, die Augen ihm funkelten und fast Blitze schossen, die breite Brust in heftiger Er¬ regung schwer atmend, die Mienen in fin¬ sterer Entschlossenheit sein Gesicht gänzlich veränderten, war er nicht mehr der frän¬ kische Kaufmann, der hilfsbereite „Bruder Samo“ das war jetzt ein ganzer Mann, ein Herr entschlossen ein Herr von tausend und abertausend Menschen von nun an auch zu sein! Und grollend, herrisch befehlend keinen Widerspruch duldend, abgeklärte, zielbewußte Ent¬ schlossenheit zeigend, kam die Stimme aus seiner Kehle, als er zu den beiden Wenden plötzlich sagte: „Euer Wort — mein Wort,so haben wir's beschlossen, meine Freunde und ich, euer Führer! Wir Franken waren hier zu Lande nur geduldet und ihr nur Sklaven bis jetzt. — Der Awaren schlimme Stunde ist gekommen! Zwentibold, eile gen Garstina?) und du, Ratibor, eile hinab zur Mühle am Bache drüben 3), dort findest du meine wehrhaften Leute. Bis Mittag 1) Ein deutsches Reich gab es damals noch nicht, nur vier deutsche Stämme: Die Westfranken in Frankreich unter den Königen aus dem Hause Merovech, die Ostfranken, die Bajuwaren und die Sachsen, alle eine Sprache wenn auch in verschiedenen Mundarten redend. Im heutigen Oester¬ reich und hinab nach Süden bezeichneten alle dort ansässigen Völker die heutigen Deutschen und Franzosen als „Franken“. Ob Samo ein West= oder Ostfranke war, läßt sich geschicht¬ lich nicht erweisen. 2) Heute Windisch=Garsten. 3) Am Ramingbach 103 sollt ihr euch da unterm breiten Berg!) schon versammelt haben, ich führe euch gegen die Awaren! Mit Verwunderung hatten die beiden Wenden diesen hastig hervorgesprudelten Worten Samos gelauscht und — begriffen, daß die Stunde der Entscheidung nun gekommen sei und ehrerbietig, doch freudig bewegt, neigten sie sich tief herab an ihren im Boden wurzelnden Speeren und sagten beide zugleich, in trotziger Entschlossenheit „Dein Wort — unser Wort!Du unser Führer, wir deine Krieger! Es geschehe, wie du soeben gesagt: der Awaren schlimme Stunde ist gekommen, hoffentlich für uns die gute! Wir eilen, wohin du uns gesandt! Und die Drei schüttelten sich die Hände, die beiden Wenden rafften ihre Waffen und ihre kleinen Reisesachen auf und ver¬ schwanden in die Enns hinein, Stein um Stein abwägend zum sprunghaften Ueber¬ setzen auf das rechte Ufer. Samo sah ihnen nach bis sie ihm im Dunkel entschwanden, dann schritt er, die Waffen kampfbereit, hinab und erreichte bald in der sandigen Furt das linke Enns¬ ufer und erstieg den Fels, der sich da hineinschiebt in die Mündung der Steyr in die Enns?) und wo geborstenes Ge¬ mäuer, wild umwuchert, den linksseitigen kleinen Brückenkopf noch andeutete, wo der Römer Uebergang dereinst hier im festen Bogen die mündende Steyr übersetzte. Dort ließ er sich auf Quadern und Ziegelresten nieder und hielt mit sich Rat was bis Mittag zu beginnen sei. IV. er In diesem Nachsinnen wurde gestört durch ein Geräusch, das ein ihm näher kommendes, lebendes Wesen, das augenscheinlich vorsichtig genug einher¬ schlich, verursachte. Nach aufmerksamer Beobachtung erkannte Samo, daß es ein Mensch war, der sich bemühte, gerade vor Samo die Steyr zu übersetzen, und der Feuerschein vom Burghügel droben war mächtig genug, dem Kaufherrn er¬ 1) Damberg. 2) Die Michaelermühle nimmt heute diesen Raum ein.

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