Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

halber und auch seiner Neigung zu den die Slawen wegen, einen Abenteurer, in Wenden in Taducha und die hinein die Steiermark bis hinab in das heutige Krain, mit denen er Handel trieb für deren Leiden er ein warmes Herz bekundete und denen er mit Rat und Tat an die Hand ging, nannten ihn kurzweg „Bruder Samo, eine Bezeichnung, die er für seine Leistungen für dieselben von den Slawen wohl verdiente, deren Vertrauen zu ihm grenzenlos war und die sich, gedrückt von ihren awarischen Herren zu Bruder Samo ! hingezogen fühlten und sich an ihm in ihrem Jammer Zaufrankten, wie die wilde Rebe auf die knorrige, sturmsichere Eiche. Während seines Marsches beobachtete Samo jetzt häufig den Pfad, auf welchem er dahinschritt, und sah auch oft gegen den Wartturm des einstigen römischen Kastells scharf hin, der trotzig mit seinen chartigen Zinnen über den Wald hervor¬ lugte. Ein Hase sprang jetzt über den Weg und verschwand hinab den buschigen Hang zur Enns. Samo sah dem Hasen ruhig nach und murmelte vor sich hin: „Da läuft mein Abendbrot, treff ich nicht bald, wie verabredet, meine To¬ duchaer! Ich darf ja nicht schießen — erleg ich den Hasen, führt die Blutspur dieses Gewürm von Awaren auf meine Fährte — noch wär's zu früh! Das Leben dieses Hasen haben die Awaren gerettet, endlich eine gute Tat von diesen Teufeln! Will ihnen's vom Schuldbuch streichen! Gott strafe sie!“ Bei diesen Worten war er an eine Stelle angelangt, wo die Enns sich gabelte und eine Insel bildete.?) Er stieg den Hang hinab und von Fels zu Fels sicheren Sprunges übersetzend, teils einige seichtere Stellen durchwatend, stand er bald am andigen Rande des kleinen Eilandes, bückte sich und verwischte einige seiner 1) Ob dies sein wahrer Name war, läßt sich nicht mehr ermitteln. Er war ein Franke, also ein Deutscher, das ist ichergestellt. Vielleicht erklärt es sich aber daraus, daß er sih mit so ritterlichem Sinne der bedrückten Slawen annahm; den Bedrängten beizustehen war allzeit eine schöne Eigenschaft der germanischen Rasse. Keinesfalls hat der Deutsche Ursache, sich dieses „Slawen“ zu schämen oder gar ihn als „Renegaten“ zu bezeichnen, zumal es damals kein Deutsches Reich gab. 2) Heute „Rederinsel“, aus Gerölle der Enns und Steyr angeschwemmt. 99 Fußspuren, die im nassen Sande sich all¬ zutief eingeprägt hatten, dann drängte er sich in den Buschwald der Insel ein. Hier ahmte er täuschend den Ruf eines Spott¬ vogels nach, dem rasch der klagende Ton eines Käuzchens antwortete und das so aus nächster Nähe, daß Samo hastig das Geäste vor sich teilte und so plötzlich vor einem schwach glimmenden Lagerfeuer tand, vor welchem zwei Männer hockten. Das waren wohl echte Slawen, in grob leinenen Kitteln und Bundschuhen, ie Waffen neben sich griffbereit am Boden. Beide streckten ihre Hände zum Willkomm aus, die Samo freundlich chüttelte und sich neben dem älteren der beiden Wenden niederließ, dessen schön gezierter Köcher und stolzeres Benehmen den Vornehmeren verriet. „Willkommen, Bruder Samo“ sagte dieser jetzt in ruhiger und doch herzlicher Weise, „du bist jetzt zu Hause, wie immer bei den Wenden in Toducha! Du warst lange abwesend und wir dachten dich in deinem fränkischen Heim!“ „Hab noch manches eher zu tun als heimzukehren“ erwiderte Samo in fließen¬ dem Wendisch, „war auf dem Heimmarsch, begegnete aber vor den großen Steinen drunten am Flusse!) Awaren in großen Scharen, da kehrte ich um und kam her zu euch — das Gewürm ist wohl wieder hinter euch her? Hab ich recht, Freund Zwentibold? Der Wende nickte mit traurigem Lächeln. „Erraten, Bruder Samo“, sagte er ernst, „Toducha ist von ihnen belagert und die Burg drüben wird es bald sein Wir sind auf Kundschaft aus und auch um unser Volk zu sammeln, deshalb trafst du uns hier an dem dir wohlbekannten Orte! Es ist ein gutes Zeichen für uns, daß du jetzt schon gekommen bist — leider bist du allein!“ „Nicht doch, Freund Zwentibold“ lachte Samo listig blinzelnd auf, „hab meine Packknechte bei mir und schlossen ich mir etlich Hundert der Eueren an, alles wohl bewaffnet! Wollen den Awaren 1) Wahrscheinlich bei Mauthausen, wo Steinbrüche sind. 74

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