Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

Bruder Zeitbild aus Stadt Steyrs Vorzeit I. Im ersten Drittel des 7. Jahrhunderts S n. Chr. waren die schönen Gaue Nieder= und Oberösterreichs und der Steier¬ mark zumeist von Slawen besiedelt, deren Herren, die Awaren, sie mit unmenschlicher Härte und Grausamkeit behandelten und alles taten, was die Verachtung der Menschen, der Wahnsinn der Macht und die Ungebundenheit der Unterdrückung hervorbringen kann. Im Kriege, dieser schrecklichen Menschenjagd der Awaren, war der Slawe der Hund der Awaren, welcher das Feld abzusuchen und den Feind zu umzingeln hatte und im Kampfe hatte der Slawe den ersten Stoß aus¬ zuhalten, während der Aware die Reserve bildete. Die Kriegsbeute nahm der Aware allein und dessen Speer zwang den Slawen zu kämpfen oder durch seines Herrn Speei zu sterben Diese schlimme Lage verschaffte dem Slawen die Spottnamen „Bifulcus“, „der von rückwärts Gestoßene“ oder „Bifur¬ cus“, „der sich zwischen zwei Gabeln befindet“. Und dennoch waren die Leiden des Slawen im Frieden größer als im Kriege. Bezogen die Awaren in den wendischen und slowenischen Dörfern die Winterquartiere, waren sie die alleinigen Herren, jagten den Slawen aus dem Hause, nahmen seine Herden und sein Getreide, eigneten sich des Slawen Weiber und Töchter zu und erpreßten dem Sla¬ wen noch überdies hohe Tribute Der Slawe ertrug sein Elend ohne sich zu beklagen, arbeitete, weil er mußte, und darbte und hungerte, weil das Schicksal ihn zwang, so wenig als möglich dem fruchtbaren Boden abzuringen, um des schrecklichen Awaren räuberische Gelüste nicht allzusehr zu reizen. Alle Rechte vorbehalten. Samo. von Heinrich Kematmüller. Wie es daher in Oesterreichs schönen Gauen damals aussah, ist leicht sich aus¬ zudenken, überall Elend, Jammer und rohen Not. Allein, auch des maßlos Awaren Zeit mußte kommen für jeden schlägt einmal seine Stunde und zur Zeit, wo diese Erzählung sich abspielt, war die Zeit der Vergeltung für den Awaren gekommen Aus der Vermischung der Awaren mit den Frauen der Wenden und Slowenen war ein Geschlecht entstanden, welches den ungestümen Stolz ihrer Väter und deren Tatkraft und Rücksichtslosigkeit erbte und jetzt schon sehr zahlreich war. Als die Awaren, vergessend, daß diese Mestizen Blut von ihrem Blute waren, diese Slawen ebenso behandeln wollten wie ihre Vor¬ fahren, begannen Wenden und Slowenen zu meutern, griffen zu den Waffen, ver¬ jagten die Awaren aus ihren Wohnungen und verweigerten dem Khakhan!) der Awaren den Tribut. Die von diesem Beispiele erfreuten reinen Slawen taten das nämliche und alles, was es an Wenden und Slowenen von den Grenzen Bayerns bis Kärnten hinab gab, trennte sich von dem Reiche der Awaren und in den schönen Landen zwischen Inn, Donau und Leitha, bis nach dem heutigen Krain hinein, wütete der Krieg, entbrannte der Kampf ums Dasein, bedeckten die Leiber von Tausenden von Erschlagenen Straßen und Wege, loderten die Flammen aus Weilern und Gehöften gen Himmel erdröhnte der Lärm der Waffen und erklangen die Weherufe der zu Tode Ver¬ wundeten und das Hilfegeschrei der Weiber, Greise und Kinder! So sah es auch um den Zusammen¬ fluß der Enns und Steyr herum aus, aber noch stand auf der Höhe, welche sich 1) Großkhan. 7

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