Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

92 gericht in St. Petersburg General Stößel, der „Held von Port Arthur“, zum Tode verurteilt —weil er „unnötigerweise“ Port Arthur dem Feind übergeben habe. Das war das Sühnopfer und der Blitzableiter für die beispiellose Nieder¬ lage Rußlands in seinem mutwillig heraufbe¬ chworenen Kriege gegen Japan. Der Zar hat die vom Kriegsgericht ausge¬ sprochene Todesstrafe in zehnjährige Festungs¬ haft verwandelt. Am 8. Juli 1907 wurde Großfürstin Tenia Alexandrowna in Petersburg von einem Sohn entbunden, der den Namen Wassili erhielt. Gro߬ fürstin Tenia, die älteste Schwester des Zaren Nikolaus II., ist die Gemahlin des Großfürsten Alexander Michailowitsch. Am 26. Jänner 1908 starb zu Davos der kaum 28jährige russische Dichter Michael Theo¬ fowitsch Andrejanow, eines der bedeu¬ tendsten Talente des jungen Rußland. Seine Hauptwerke sind die Novellensammlung „Ver¬ chüttet“, die Romane „Adlerflügel“ und „Odessa“ und das erschütternde Revolutionsdrama „Kotjol“ („Der Kessel“). — Am 23. April 1908 tarb in Petersburg General Liniewitsch, der Nachfolger Kuropatkins im Oberbefehl der zertrümmerten russischen Mandschurei=Armee im russisch=japanischen Kriege, im Alter von 70 Jahren. — Am 23. Mai 1908 starb auf seiner Besitzung bei Nishnij=Nowgorod im 87. Le¬ bensjahre der bekannte russische Revolutionär Alexander Bakunin. Skandinavien. Schweden. Am 8. Dezember 1907 starb in Stockholm nach kurzem Todeskampfe König Oskar II. von Schweden im 35. Jahre seiner Regierung. Mit ihm ist ein Fürst des Friedens, ein Dichter und Gelehrter und ein großherziger, uner¬ müdlicher Förderer aller wissenschaftlichen Bestre¬ bungen dahingegangen. Er war am 21. Jänner 1829 zu Stockholm geboren und bestieg am 18. September 1872 als Nachfolger seines Bruders Karl XV. den Thron Schwedens und Norwegens. Die Zerreißung der vom Stamm¬ vater des Königsgeschlechtes Bernadotte im Jahre 1814 gegründeten Union zwischen diesen beiden Staaten im Jahre 1905 war das schwerste Leid, das wohl dem greisen König beschieden. Als sein Nachfolger bestieg sein am 16. Juni 1858 auf Drottningholm geborene Sohn Gustav Adolf, der bereits seit 4. Dezember 1907 die Regentschaft geführt hatte, als Gustav V. den Thron Schwedens. Am 3. Mai 1908 vermählte sich in Sankt Petersburg Prinz Wilhelm von Schwe¬ den mit der Großfürstin Maria Pau¬ lowna. Norwegen. Von großer Bedeutung für das junge, selbständige Königreich war der Ab¬ schluß des von Deutschland, Frankreich, England Norwegen und Rußland unterzeichneten Ga¬ rantietraktats, welcher die Integrität Norwegens zu sichern bestimmt ist. Am 4. September 1907 starb in Bergen der berühmte norwegische Komponist Edward Grieg, der weitaus bedeutendste Tondichter des Nordens, ein wahrhaft nationaler Kompo¬ nist, dessen Schöpfungen alle im heimatlichen Erdreich wurzelten, was ihnen denn auch einen eigenen ergreifenden Zauber verlieh. Edward Grieg war am 15. Juni 1843 zu Bergen in Norwegen geboren. Dänemark. Die Bestrebungen der Is¬ länder nach einer größeren Selbständigkeit von Dänemark, nach einer klar umschriebenen Autonomie ihrer Heimat, führten am 31. Juli 1907 aus Anlaß eines Besuches des däni¬ schen Königs in Island zur Einsetzung einer Kommission, welche über Islands verfassungs¬ „ mäßige Stellung im Reiche verhandeln und eine Form finden sollte, unter der die Freiheit Islands in Zukunft ausgebaut und be¬ wahrt würde, unter Wahrung der Ein¬ heit des Reiches. Diese Kommission unterbreitete Mitte Mai 1908 dem König den Entwurf zu einem neuen Gesetz über die Regelung der staats¬ rechtlichen Verhältnisse zwischen Dänemark und Island. Danach ist Island ein freies, selbständiges Land, mit Dänemark durch den gemeinsamen König und durch gemeinsame Angelegenheiten verbunden. Der König führt in Zukunft den Titel „König von Dänemark und Island“. Am 14. Jänner 1908 starb in Kopenhagen der Dramatiker und Lyriker Holgar Drach¬ mann, der Dichter des dramatischen Mär¬ chens „Es war einmal“. Er war am 9. Oktober 1846 in Kopenhagen geboren worden. Schweiz. Am 12. Dezember 1907 wurde der Bundesrat Brenner zum Bundespräsidenten für das

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