Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

84 einer der heißblütigsten Partisane des böhmischen Krönungshermelins und des alten Pergaments von 1526, hat er als abgeklärter und reifge¬ wordener Mann oft Worte faszinierenden Klanges gefunden, wenn es den Schutz der alten Einheit des von inneren Widersachern bedrohten Kaiserstaates galt. Am 11. September 1841 zu Dlaschkowitz in Böhmen als der Sprosse eines alten deutschen Adelsgeschlechtes geboren, be¬ kannte er sich doch zeitlebens als ein Angehöriger des tschechischen Volkes. Er war der Reihe nach Statthalter in Mähren, Justizminister im Ka¬ binett Taaffe und im Koalitionsministerium, Mitglied des Herrenhauses und zum Schlusse Präsident des Verwaltungsgerichtshofes. — Am 23. Dezember 1907 starb in Wien der Pro¬ fessor an der Kunstgewerbeschule des Museums für Kunst und Industrie, Historienmaler Andreas Groll. Er war am 6. September 1850 zu Wien geboren. — Am 28. Dezember 1907 starb in Krakau der gewesene Finanzminister im Mini¬ terium Taaffe (1880 bis 1891) Julian Ritter v. Dunajewski, der geistige Hauptführer der sogenannten Krakauer Partei, ein erklärter Feind des Deutschtums, mehr als ein Jahrzehnt der Hauptträger jenes politischen Gedankens, der sich in dem eisernen Ring verkörperte und für die Entwicklung Oesterreichs so außerordentlich verhängnisvoll wurde. Von ihm — als Minister — stammen die programmatischen Worte, „man kann in Oesterreich zwar nicht gegen die Deut¬ schen, aber auch ohne die Deutschen regieren“ Worte, die von den deutschen Parteien als Kriegserklärung aufgefaßt, schließlich zum Sturze des Kabinetts Taaffe führten. Dunajewski war am 4. Juni 1822 in Stanislau geboren worden. Am 4. Jänner 1908 starb in Wien der treff¬ liche Bassist der Wiener Hofoper Wilheln Hesch im 47. Lebensjahre. Er war in Elbe¬ teinitz als Sohn eines Landwirtes geboren. — Am 12. Februar 1908 verschied in Wien der Schau¬ spieler Fritz Krastel. Mit ihm ging der ewig Jugendliche unter den Lieblingsschau¬ spielern der Wiener dahin, den ein unverwüst¬ licher poetischer Hauch zu umwehen und während einer mehr als sechsunddreißigjährigen Wirksamkeit am Burgtheater vor allen Spuren des Alters zu bewahren schien. Fritz Krastel war am 6. April 1839 in Mannheim als Sohn des Chorchefs am Mannheimer Theater geboren und sollte, nach dem Wunsche der Eltern — Geist¬ licher werden. Er selbst zog es aber vor, zur Bühne zu gehen und kam — zunächst in das Ballettkorps der Karlsruher Hofbühne, dann aber — nachdem schon vorher Eduard De¬ vrient, der damalige Leiter des genannten Theaters, auf die klangvolle und modulations¬ reiche Stimme Krastels aufmerksam gemacht wor¬ den war und ihn zum ersten Helden und Lieb¬ haber an der Karlsruher Hofbühne hatte avan¬ cieren lassen — von Laube engagiert ans Wiener Burgtheater, woselbst er am 4. Juni 1864 als Ferdinand in „Kabale und Liebe“ debütierte um dann am 30. April 1865 sein Engagement an dieser Bühne, die er bis zu seinem Tode nicht mehr verlassen sollte — zum letztenmal trat hier Fritz Krastel am 25. Jänner 1908 als Derwisch in „Nathan der Weise“ auf — anzu¬ treten. Am 17. Februar 1908 verschied in Wien Ignaz Freiherr v. Plener, der letzte Ueber¬ lebende des großen Bürgerministeriums— „ein in die Gegenwart hineinragendes lebendiges Denkmal aus Oesterreichs besten und hoffnungs¬ freudigsten Tagen. Er sah sie alle lange vor sich ins Grab steigen, die unter ihm oder mit ihm tätig waren, als es galt, aus den Trümmern des Konkordatstaates ein neues Oesterreich zu zimmern: Schmerling und Hye, Lichtenfels und Hasner, Anton Auersperg und Herbst, sie alle segneten vor vielen Jahren schon das Zeitliche; nur er, der alte Plener, schritt rüstig und unge¬ brochen, voll körperlicher Strammheit und geisti¬ ger Frische durch die Pforten des XX. Jahr¬ hunderts“. Nun ist auch dieser Achtundneunzig¬ ährige dahin gegangen, von wannen es keine Rückkehr gibt! Am 21. Mai 1810 in Wien als der Sprosse einer alten Beamtenfamilie geboren stieg er nach zurückgelegten Studien bald immer höher in der von ihm gewählten Beamtenlauf¬ bahn empor, bis er endlich am 22. April 1860 nach dem plötzlichen Tode des Freiherrn von Bruck provisorisch mit der Leitung des Finanz¬ ministeriums betraut wurde, um dann nach der am 13. Dezember 1860 erfolgten Abdankung des Grafen Goluchowski und der hierauf erfolgter Uebertragung des Staatsministeriums an Ritter v. Schmerling definitiv zum Finanzminister er¬ nannt zu werden. Am 27. Juli 1865 gab er dann mit dem Ministerium Schmerling seine Demission. Als die Verfassung kam, eröffnete ihm das Vertrauen der Wähler von Eger die

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