72 Wir haben das unendliche Glück, unter vielen Tausenden die Ersten zu sein, den Ausdruck des überschwenglichen Jubels dar¬ bringen zu dürfen, welcher heute hier herrscht. Wir danken aus vollstem Herzen, daß Eure Majestät die Gnade hatten, die Abhaltung des Festzuges zu gestatten. Vor allem sprechen Eurer Majestät die Nachkommen jener Geschlechter, welche seit Rudolf von Habsburg für die glorreichen Vor¬ fahren Eurer Majestät kämpften, den unter¬ tänigsten Dank dafür aus, daß ihnen gestattet wurde, bei Darstellungen großer Momente aus Oesterreichs ruhmvoller Geschichte neben den erhabenen Gestalten des erlauchten Herrscher¬ hauses auch die Gestalten ihrer eigenen Ahnen, gleichsam wiederbelebt, vertreten zu dürfen, um für sie und für sich Eurer Majestät hul¬ digen zu können. Alle Nationalitäten Oesterreichs danken Eurer Majestät, daß sie laut jubelnd in langer Reihe vorüberziehen dürfen, im Bewußtsein, ein einiges österreichisches Volk zu bilden, und die treuen Untertanen eines unerschöpflich gütigen Herrn und Kaisers zu sein, welcher uns durch sechzig Jahre so liebevolle, so gnadenreiche Fürsorge angedeihen ließ. Gott schütze, Gott segne, Gott erhalte Eure Majestät!“ Der Kaiser antwortete: „Es bereitet Mir eine ganz besondere Freude, daß Ich heute an dem Festzug teil¬ nehmen kann, und Ich sage Ihnen, meine Herren, hiefür Meinen herzlichsten Dank. Ich danke insbesondere den Herren des Komitees, die sich so viel Mühe gegeben haben, um in so kurzer Zeit diese schöne patriotische Feier zustande zu bringen. Ich danke aber auch allen Teilnehmern des Festzuges, ganz besonders den Herren und Damen der historischen Ge¬ schlechter, die keine Mühe und keine Strapazen gescheut haben, um an dem Festzuge teilzu¬ nehmen; ebenso den Mitgliedern der Natio¬ nalitätengruppen—, Ihnen allen nochmals Meinen herzlichsten Dank.“ Als aber der Festzug vorübergezogen — es währte über drei Stunden — sprach der Kaiser zu Dr. Lueger, dem Bürgermeister Wiens, noch folgende Worte des Dankes: „Sagen Sie allen Beteiligten, welche außer¬ ordentliche Freude sie Mir durch diese große, patriotische Feier bereitet haben! Ich danke nochmals allen!“ Damit hatte vorläufig die Reihe der Kaiser¬ jubiläumsfestlichkeiten ihren Abschluß gefunden — es waren herzerwärmende Beweise von Treue, Liebe und Verehrung, welche die ver¬ chiedensten Stände und Völker der österreichischen Monarchie ihrem Monarchen darbrachten — nur Ungarn und ein Teil von Böhmen hattensich ferngehalten. Wenn dann der eigentliche Jubel¬ tag — der 2. Dezember 1908 — erscheinen wird — die werden Liebe, Verehrung und Treue sich auch schon in vielfachen, aus Anlaß des Kaiserjubiläums geschaffenen, dem Wunsche des Kaisers, daß sein Jubeljahr weniger durch pomp¬ hafte Feste als durch Akte der Wohltätigkeit ge¬ feiert werden möge, entsprechenden Stiftungen bekundet haben — neue Mittel finden, sich zu betätigen und von allen Lippen werden sich aufs neue die alten, schönen Worte losringen: „Gott erhalte, Gott beschütze unsern Kaiser!“ *# Österreich-Angarn. Wir leiten unseren Bericht, wie alljährlich, mit der Aufzählung der frohen und traurigen Ereignisse ein, welche in der Berichtsperiode im Kaiserhause vorfielen. Am 17. Jänner 1908 starb zu Salzburg Fer¬ dinand IV., Großherzog von Tos¬ cana, eines der ältesten Mitglieder des öster¬ reichischen Kaiserhauses. Er wurde am 10. Juni 1835 in Florenz als der älteste Sohn des Gro߬ herzogs Leopold II. von Toscana aus dessen Ehe mit Maria Antonia, Tochter des Königs Franz I. von Sizilien, geboren. Am 24. November 1856 vermählte er sich in Dresden mit Prinzessin Anna, der Tochter des Königs Johann von Sachsen, die aber be¬ reits am 10. Februar 1859 in Neapel starb Als im April 1859 eine Volkserhebung den Großherzog Leopold II. zwingen wollte sich dem Kampfe Sardiniens gegen Oesterreichan¬ zuschließen, verließ dieser am 27. April eine Re¬ Staaten und entsagte am 21. Juli der gierung zugunsten seines Sohnes Ferdinand IV. Da aber der neue Großherzog die durch den
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