Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

70 Armee waren an diesem Tage im Zeremonien¬ saale der Wiener Hofburg erschienen, um die un¬ verbrüchliche Treue und Hingebung für ihren obersten Kriegsherrn zu dokumentieren, voll des Gefühles inniger Zusammengehörigkeit, das nach wie vor in der österreichisch=ungarischen Armee lebt. Sprecher der bewaffneten Macht war deren ranghöchster und zur Disposition des kaiserlichen Oberbefehles gestellte General Erzherzog Franz Ferdinand. Seine Ansprache lautete: „Bewegten Herzens nahen wir heute den Stufen des Thrones, um im Namen der ge¬ amten bewaffneten Macht Eurer Majestät unsre ehrfurchtsvollsten untertänigsten Glück¬ wünsche zum sechzigjährigen Regierungs¬ jubiläum darzubringen. Heer und Flotte blicken mit Stolz und un¬ begrenzter Bewunderung auf ihren obersten Kriegsherrn als ein leuchtendes Beispiel treue¬ ter Pflichterfüllung und aller soldatischen Tugenden. Unsre Land= und Seemacht ist sich dessen wohl bewußt, was sie der väterlichen, nie versagenden Gnade unsres erhabenen Mon¬ archen zu verdanken hat und legt durch mich Eurer Majestät die ehrerbietigsten Huldigun¬ gen zu Füßen. Eingedenk der glorreichen Traditionen unsrer Armee und stets bereit, dem Rufe des allerhöchsten Kriegsherrn jubelnd zu folgen, erneuern wir in dieser feierlichen Stunde den Schwur unverbrüchlicher Treue, der in den Herzen aller Soldaten ein viel¬ tausendfaches Echo finden wird. Unsre tiefempfundenen Gefühle ehrfurchts¬ voller Dankbarkeit und Liebe, bedingungs¬ loser Treue und Ergebenheit aber lassen wir in den heißen Wunsch ausklingen: Gott erhalte, Gott beschütze Eure Majestät zum Heile Ihrer Völker und zum Wohle der ge¬ amten Wehrkraft!“ Der Kaiser erwiderte: „Mit Freude und Stolz begrüße Ich die Versammlung der Vertreter der gesamten be¬ waffneten Macht unter Eurer Liebden er¬ auchter Führung. Tief zu Herzen drangen Mir die von echter Treue und vollster Hingebung zeugenden Wünsche und Gelöbnisse, welche in Ihrer aller Namen — Heer, Flotte und beide Land¬ wehren umfassend — Euer Liebden Mir soeben zu Meinem sechzigjährigen Regierungsjubiläum so erhebend ausgedrückt haben. Empfangen Sie, Meine Vielbewährten, und durch Sie die Generale, Admirale, Offiziere und Mannschaften aller Grade, Meinen innigsten, nie erlöschenden Dank, der weithin erklinge, damit jeder Kriegsmann, der im Verlaufe von sechzig Jahren zu Land oder zur See dem Vaterlande diente, wisse, daß Ich in dieser weihevollen Stunde seiner ge¬ denke. Rückschau haltend über sechs Jahrzehnte wechselvoller, ja welterschütternder Ereignisse, sehe Ich Meine Wehrmacht unbeirrt von den Strömungen und Wandlungen der Zeiten, niemals wankend, stark in Eidestreue und opferfreudiger Pflichterfüllung, durchdrungen von edelster Selbstlosigkeit — ein Fels, auf dem die Sicherheit Meines Thrones und Meiner Völker beruht. Und so soll und wird es sein: auch in — aller Zukunft wird Oesterreich=Ungarns Wehr¬ macht in überkommener Berufstreue vertrau¬ end zu ihrem Kriegsherrn aufblicken. Ich flehe zum Allmächtigen, auf daß er in friedlichen wie in ernsten Tagen der Wehr¬ macht seinen reichsten Segen spende zum Heil und zum Ruhme des Vaterlandes.“ Der Huldigung der Generalität folgte un¬ mittelbar in der Neuen Galerie die Huldigung der vom Obersten des Dragonerregiments Nr. 1, Eduard Fischer, geführten Deputationen jener Regimenter, die seit 60 Jahren die Inhaber¬ schaft des Kaisers besitzen. Es sind dies folgende: Infanterieregiment Nr. 1, Tiroler Kaiserjäger¬ regimenter Nr. 1, 2, 3 und 4, Dragonerregiment Nr. 1, Husarenregiment Nr. 1, Ulanenregi¬ ment Nr. 4 und Ulanenregiment Nr. 6. Am 12. Juni 1908 endlich schloß die Reihe der bisherigen Jubiläumsfestlichkeiten und Hul¬ digungen mit dem großen Huldigungs¬ festzug der Stadt Wien und der österreichi¬ schen Völkerschaften — wohl die glänzendste und imposanteste aller Huldigungen. Es nahmen an ihr 12.000 Personen, 4000 in den historischen Gruppen, 8000 in den Nationalitätengruppen teil und um die ganze innere Stadt Wien pannte sich ein Kranz von festlich dekorierten Tribünen, auf welchen Hunderttausende, diesmal

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