Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

ich bin nicht in der angenehmen Lage, an eine Mariage zu denken.“ „Was, Sie wollten nur ein Don — Juan bei ihr sein etwa mein Kind unglücklich machen?“ entgegnete Woll¬ berg in verändertem Tone. „Weiß der Himmel, wie Sie auf „ diese Idee kommen!“ erklarte Füllner mit strengem Ernst. „Ich würde mir zeitlebens ein Gewissen daraus machen, Ihre Tochter auch nur mit einem Worte zu kränken. Ich bin auch fest überzeugt, daß diese nichts dazu beigetragen hat, ihren Vater in einen kolossalen Irrtum zu versetzen. Wollberg wurde ganz bleich. Er erhob sich in der Absicht, seine Tochter herbei¬ zurufen. In diesem Augenblick aber brachte der Diener eine Visitenkarte. „Der Herr wünscht seine Aufwartung zu machen“ sagte er. Wollberg las laut: „Fridolin Born.“ C „Ich habe augenblicklich keine Zeit! rief er verdrießlich. Füllner war aufmerksam geworden. „Fridolin Born, sagen Sie? So heißt mein Prokurist. Vielleicht ist in meinem Geschäft etwas vorgefallen, und er sucht mich auf, obschon ich mir nicht zu er¬ klären vermag, wie Born erfuhr, daß ich gerade hier bin. Wollen Sie ihn nicht fragen lassen?“ „Hat der Herr gesagt, daß er Herrn Füllner sprechen will?“ fragte Wollberg den Diener. „Herrn Wollberg, ganz ausdrücklich“, entgegnete letzterer. „Ich lasse ersuchen, einzutreten“, ent¬ schied Wollberg. Der Diener entfernte sich. „Er wird doch nicht etwa —“ brummte Füllner. „Was denn?“ „Mir untreu werden wollen.“ Born trat ein und bekundete große Verlegenheit, als er seinen Chef er¬ blickte. Als er aber Wein und Gläser bemerkte, nahm er an, daß Wollberg den Chef als Zeugen seiner Angelegen¬ heithabe kommen lassen und er wußte sich zu fassen. Die beiden Herren be¬ 63 trachteten ihn erstaunt und erwartungs¬ voll, da er in schwarzem Frack, mit und weißer Halsbinde, Lackstiefeln Klapphut war. „Wollen Sie mich hier aufsuchen?“ fragte Füllner. „Bitte um Entschuldigung — nein!“ antwortete der Prokurist. „Also nicht“ bemerkte Wollberg; „und was ist Ihr Verlangen?“ „Ich — folgte Ihrer gütigen Ein¬ ladung. „Meiner Einladung?“ fragte Woll¬ berg verändert. „Wann und wie? „ „Gestern telephonisch Wollberg saß einige Minuten mit offenem Munde da. „Sie waren dort im Geschäftslokal dieses Herrn?“ fragte er dann gespannt „Zu dienen! „Und Sie unterhielten sich telephonisch 0 mit meiner Tochter: Born legte die Hand aufs Herz und chlug den Blick zu Boden. „Mein Herr —“ begann Wollberg schneidend. Füllner aber lachte laut auf und er¬ barmte sich seines Prokuristen. „Also Sie sind der Schwerenöter, der □ ich sein sollte!“ rief er heiter. „Jetzt geht Ihnen doch ein Licht auf, lieber Herr Wollberg? „Leider!“ knurrte dieser. „Wenn Ihr Angestellter sich erlaubt hat, mit meiner Tochter verstohlen —“ „Ach was!“ unterbrach ihn Füllner. „Verstohlene Liebe ist oft geboten, und wie sagt der Dichter? Erlaubt ist, was gefällt! Sie werden doch nicht bestreiten wollen, daß diese beiden jungen Leute besser zu einander passen, als ich alter Knabe zu Ihrer; liebenswürdigen Tochter! „Der werde ich es strengstens ver¬ weisen!“ brauste Wollberg auf. „Daß sie einen guten Geschmack hat? „Daß sie sich vergessen hat, ihre Zu¬ kunft anders als standesgemäß ins Auge zu fassen! „Standesgemäß? Dieser junge Mann ist Kaufmann, so gut wie wir, und hat

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