50 „Ein schwarzer Gespensterhund!“ „Dummes Zeug!“ sagte der Gerichts¬ diener. „Und ich sage, es ist ein Gespenster¬ hund!“ schrie die alte Frau. „Ich sage, er treibt noch sein Wesen in Annaberg Man hat den Hund schon früher hier in der Nachbarschaft gesehen. Nur bei Nacht¬ zeit schleicht und läuft er umher. Aber kein Mensch weiß, woher er kommt und wohin er geht. „Einerlei!“ sagte der Gerichtsdiener; wird er „Gespensterhund oder nicht erwischt, so wird man ihn ersäufen Kommt, Meister! Und er ging mit dem Posamentierer durch mehrere Straßen nach dem Rat¬ hause. Zuerst wurden seine Personalien fest¬ gestellt und niedergeschrieben, dann begann das Verhör. „Ihr seid am Montag vor vier Wochen in Meißen gewesen?“ fragte der Bürger¬ meister. ( „Jawohl, Euer Gestrengen. „Was habt Ihr da gemacht?“ „Ich habe meine Geschäfte betrieben.“ „ „Was für Geschafte? „Ich handle mit Posamentierarbeiten, mit Litzen und Tressen, auch mit Spitzen, die ich von den hiesigen Klöpplerinnen kaufe und an auswärtige Kunden wieder verkaufe. „Man hat Euch im Gasthaus „Zum weißen Roß“ in Meißen gesehen.“ □ „Ja, dort habe ich verkehrt. „Mit welchen Leuten?“ □ „Je nun, mit allerlei Leuten.“ □ „Ihr habt dort mit dem Juden Löbel Hirsch aus Breslau verkehrt. ∆ „Ja, Euer Gestrengen. „Löbel Hirsch ist ein Hehler und Mit¬ glied einer weitverzweigten Verbrecher¬ bande, die endlich glücklich gesprengt ist. Er wird jetzt von der Kriminalbehörde verfolgt. „Das ist mir bekannt, Euer Gestren¬ gen. Zu meinem Unglück habe ich mit Löbel Hirsch Geschäfte gemacht. Zuweilen hat er früher Waren von mir gekauft und dieselben auch richtig bezahlt. Den letzten Warenposten aber, einige kostbare Tressen, ist er mir schuldig geblieben. Ich hielt ihn eben für einen ehrlichen Geschäftsmann. „Ihr wißt sonst weiter nichts von ihm?“ „Nein. „Die Meißener Polizei glaubt, daß er sich ins Gebirge zu irgend einem von seinen verbrecherischen Genossen geflüch¬ tet habe. „Hoffentlich wird man ihn fangen und ihm den Raub abjagen. Dann kann auch ich vielleicht wieder zu meinem Eigentum kommen. □In diesem Augenblick erschien ein Amtsdiener und meldete dem Bürger¬ meister, daß Seine Ehrwürden der Herr Archidiakonus Zobel ihn zu sprechen wünsche. Als dieser Name genannt wurde, zuckte Friedel ängstlich zusammen doch bemerkte es niemand und er bezwang sich rasch. „Sogleich werde ich zu des Herrn Archidiakonus Verfügung sein“ versetzte Martini, und sagte dann zu dem noch harrenden Posamentierer: „Meister Ihr seid mir bisher als ein unbescholtener Mann bekannt, der in rechtschaffener Weise sein Gewerbe treibt. Ich rate Euch, hütet Euch in Zukunft vor der Verbin¬ dung mit Spitzbuben, denn davon könn Ihr nur Schaden und Unglück haben!“ „Ich danke Euer Gestrengen für die Warnung. Leider kann man es nicht jedem Menschen ansehen, ob er ein Spitz¬ bube ist oder nicht.“ „Schon gut! Ihr könnt gehen, Meister. Solltet Ihr nochmals gebraucht werden, so werde ich Euch rufen lassen. Der Posamentierer verneigte sich und wollte das Zimmer verlassen, aber nicht durch die Türe, durch welche er herein¬ gekommen war, sondern durch eine andere. „Nicht dort hinaus!“ sagte der Amts¬ diener.— „Hier durch, Meister! Folget mir!“ Friedels Gesichtsausdruck zeigte, daß ihm dies unbequem war, jedoch folgte er
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