Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

Der junge Bergmann oder Der Gelpensterhund von Annaberg. (Nachdruck verboten.) Historische Erzählung nach alten Chroniken. 8150 821.S0Ds war an einem Augusttage „Der hohen Obrigkeit muß man ge¬ 4827 horchen. Erlaubt mir nur, daß ich meinen des Jahres 1691, als der Gerichtsdiener von Annaberg, Sonntagsrock anziehe und meine Tür der bekannten gewerbfleißigen abschließe. „Schon gut. Beeilt Euch! Erzgebirgstadt, eine der steilsten Straßen Der Posamentierer trat ins Haus, hinaufkeuchte, bis er ein kleines Haus kam nach einigen Minuten, in einen vor sich sah, das über der Tür ein Schild guten Rock gekleidet, zurück und verschloß mit der Aufschrift: „Anton Friedel, Po¬ dann sorgfältig seine Haustüre. amentierer“, zeigte. ∆ „Ihr wohnt da ganz allein?“ fragte Bevor er eintreten konnte, trat der der Gerichtsdiener Eigentümer, welcher den Ankömmling ∆ „Ja; ich habe keine Angehörigen.“ vom Fenster aus beobachtet haben mochte, „Seid Ihr bald fertig?“ vor die Haustür und fragte nach dem „Sogleich! Heutzutage muß man wohl Begehren desselben. vorsichtig sein. Man hört seit einiger Der Posamentierer war ein kleiner, Zeit so viel von Diebstählen, die in un¬ schmächtiger Mann von etwa vierzig serer Stadt und der Umgegend verübt Jahren, mit einem listigen, fuchsähn¬ werden. lichen Gesicht. „Hm, Ihr werdet wohl keine Schätze „Meister Friedel,“ sagte der Gerichts¬ drinnen haben.“ diener, „ich bin schon gestern hier ge¬ „Nur einige Litzen und Tressen sowie wesen, traf Euch aber nicht zu Hause. ein kleines Warenlager von Spitzen, wo¬ „So, so? mit ich Handel treibe. „Ich heftete also die Vorladung an Friedel steckte den Hausschlüssel in Eure Türe. seine Rocktasche und schickte sich nun zum „Welche Vorladung?“ Fortgehen an. „Nun, die Ladung vor den Bürger¬ Da wurde im Nachbarhaus ein Fenster meister, der mit Euch ein paar Worte zu geöffnet. Ein altes Weib steckte den Kopf sprechen hat. heraus und schrie: „Meister Friedel! „Ich weiß nichts davon. „Was wollt Ihr, Nachbarin? „Wie könnt Ihr das leugnen? Ich — „Geht Ihr aufs Rathaus? sehe doch das Schriftstück dort auf der □ „Jawohl. Ich bin vor den Bürger¬ Fensterbank liegen!“ □ meister zitiert. Was er will, weiß ich „Ihr meint das Papier da? — Ja so, nicht.“ ich kann nicht lesen!“ „Er will Euch wahrscheinlich befragen „Da hättet Ihr Euch bei den Nachbarn über den großen schwarzen Hund.“ erkundigen sollen.“ „Was meint Ihr, Nachbarin? Ich ver¬ „Meine Nachbarn sind arme Bergleute stehe Euch nicht. Ich habe keinen Hund.“ und Bandweber, die können auch nicht „Ich weiß wohl, daß Ihr keinen Hund lesen.“ habt. Aber bei Eurem Grundstück, hinter „Das sind Flausen, Meister. Ihr Eurem Krautgarten, ist der schwarze hättet um 10 Uhr erscheinen sollen im Hund ganz plötzlich verschwunden.“ Rathaus; nun ist es ½11. Der Bürger¬ meister schickt mich; ich soll Euch holen. „Was für ein Hund?“ 4

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