Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

42 wie Tag und Nacht, sagte er sich ver¬ ächtlich. „Wie konnte ich nur so dumm sein? Es war die einzigste Dummheit meines Lebens, Eva nicht zu heiraten. Die Unterhaltung war allgemein und sehr lebhaft. Die Frauen konnten sich noch nicht beruhigen über den Hut, vielleicht würden sie sich eher ins unvermeidliche gefügt haben, wäre die Trägerin des ominösen Hutes weniger schön gewesen so tuschelten sie und warfen empörte, boshafte und neidische Blicke auf Eva die es gar nicht zu bemerken schien, welch einen Stein des Anstoßes sie ge¬ geben und sich lebhaft mit dem Herzog unterhielt, der, wie es schien, nur Augen für sie hatte und sich eben herniederbog und ihr galant die Hand küßte. Wie lebhaft sie sprach, wie sie das reizende Köpfchen wendete und die Straußfedern und Reiher des verpönten Hutes nickten und winkten zu jeder Bewegung des Kopfes. „Nur um aufzufallen, hat sie den Hut aufgesetzt,“ sagte Frau Sere¬ nissimus zu sich, „sie weiß recht gut, daß sie nicht halb so hübsch wäre ohne den Hut“, fuhr sie in ihrem Selbstgespräche ort, indem sie giftige Blicke auf die chöne Eva warf. Serenissimus hatte sein Glas erhoben und nachdem er auf das Wohl des herzoglichen Paares getrunken, hatte er auch die Anwesenheit des Grafen und der Gräfin berührt. Der Herzog trank auf den Souverän des großen Nachbar¬ taates, auf die guten Beziehungen zwi¬ chen beiden Ländern und hieß den Ge¬ sandten und dessen Gattin in seinem Reiche herzlich willkommen. Die Tafel wurde aufgehoben, die Herren gingen ins Rauchzimmer, um dort den Kaffee zu nehmen, während den Damen der Kaffee im Parke serviert wurde. Die Herzogin, die sich lange mit der Gräfin unterhalten, trat jetzt zu einer seitwärts stehenden Gruppe Damen. Diesen Augenblick benutzte Frau Sere¬ nissimus und trat zu der Gräfin, um ihr Mütchen, wie man zu sagen pflegt, etwas an ihr zu kühlen. Es kochte in ihr, es mußte heraus, dieser Verstoß gegen die Etikette, dieser „Skandal“ war ja gar zu groß, sie fand keinen andern Ausdruck dafür. Noch dazu in ihrem Hause, sie konnte es nicht verwinden. „Ist es bei Ihnen Sitte, Gräfin, zu einem déjeuner dinatoire im Hute zu erscheinen?“ wandte sie sich hochmütig an die Gräfin. „Bei uns ist es so Sitte“, antwortete * die Grafin, indem sie mit unnachahm¬ licher Gebärde den Kopf in den Nacken warf. „Nun, bei uns ist es nicht Sitte“ (ein Kreis von Damen gruppierte sich um die beiden) „Sie hätten darauf Rücksicht nehmen sollen. Ein solcher Skandal hier in meinem Hause, wo die Herzogin ohne Hut erscheint .... „. . .. erscheine ich im Hut“, ergänzte die Gräfin. „Ja, liebe Frau v. Welten, fuhr sie fort, indem sie nachlässig mit ihrer Lorgnette spielte, „Sie hätten mir besondere Anstandsmaßregeln geben und auf die Einladungskarte drucken lassen sollen „ohne Hut“, dann wäre ich viel¬ leicht ohne Hut erschienen, vielleicht auch nicht, denn wenn man in der Re¬ sidenz in Gegenwart einer Kaiserin im Hut erscheinen kann, wird man sich 's wohl auch hier erlauben können, hier, nun ja, hier in diesem Neste“, platzte die Gräfin heraus. Frau Serenissimus wurde dunkelrot; sie vergaß alles, ihre ganze Um¬ gebung, sie vergaß, was auf dem Spiele stand, wenn sie ihrer Wut die Zügel chießen ließ, sie vergaß, daß die Gräfin bei ihr zu Gaste war. „Man sieht, wes Geistes Kind Sie sind, Gräfin, die —nun ja, die Bürger¬ liche spricht aus Ihnen, kein Mensch kann ja für seine Geburt, deshalb muß man Ihnen den Mangel an Takt schon verzeihen. Hochgehobenen Hauptes hatte sie diese Worte gesprochen und nicht be¬ merkt, daß Serenissimus und der Graf sich der Gruppe genähert hatten. Gehört hatten die Herren wohl nichts, sie sahen aber an den erregten Mienen der Damen, daß da etwas Besonderes vor sich ging. Die Gräfin stand einen

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