Der Taucher von Chivs. HistorischeErzählung. Ser Geschichtskundige erinnert doch immerhin bedeutend glänzender sich gewiß noch an das furcht¬ machte, als der seiner Landsleute war, # 8 bare Blutbad von Chios im die im Hafen arbeiteten. Demetri # Jahre des Heils 1822. Omeros war ein sehr erfahrener Finster und unheimlich klingt die Ge¬ Schwimmer und Taucher. Lebte Demetri schichte, wie der schreckliche Kara Ali Omeros in unseren Tagen, er würde sich oder der Schwarze Pascha mit einer sicher Professor nennen, die Straßenecken Flotte und einer Armee in der Nähe von mit Ankündigungen und bildlichen Dar¬ Chios, damals einer der schönsten, stellungen seiner Kunst überdecken und blühendsten und friedlichsten Inseln des in einem prachtvoll dekorierten Raum griechisch=türkischen Archipels, erschien, seine Vorstellungen geben. Im Jahre und alles, Handel und Wohlstand Ein¬ 1825 begnügte er sich, seine Talente im wohnerschaft und Häuser— in drei offenen Hafen von Marseille zu zeigen, Tagen verschwunden war. Der Boden und war zufrieden mit den Franken, wurde mit Blut gedüngt; die Wohnun¬ Kupfersous und Liards, die ihm zuge¬ „ gen der europaischen Konsuln waren worfen wurden, wenn er aus dem kein Asyl mehr; die Schwerter der rasen¬ Wasser tauchte, und die er wie ein Neu¬ den Osmanlis mordeten mit gleicher Er fundländerhund zusammensuchte. Kälte den weißhaarigen Patriarchen führte ein ziemlich müßiggängerisches wie den Säugling, die junge Frau wie Leben; er schwamm und tauchte bis¬ die Braut; mehr als achtzehntausend weilen zu seiner eigenen Unterhaltung; Personen wurden niedergemetzelt, und in dann lag er wieder mit so großer In¬ den Ruinen von Chios schlugen Feld¬ dolenz in der glühenden Sonne da, daß, mäuse, heulende Hunde und krächzende wenn man nicht gewußt, er sei aus Raubvögel ihre Wohnung auf. Chios. man ihn für einen echten Lazza¬ Wenige entkamen der Rache Kara rone des Quai Santa Lucia gehalten. Paschas. Wer die Mittel dazu besaß, Demetri war ungefähr dreißig Jahre floh nach den italienischen oder franzö¬ alt, groß, sehr gut proportioniert, von sischen Küsten des mittelländischen bräunlicher Gesichtsfarbe, hatte langes Meeres. Namentlich Marseille nahm schwarzes Haar und feurige schwarze viele von diesen Flüchtlingen auf, die Augen; seine Kleidung war ungemein sich nicht glücklich genug schätzen konnten, einfach, sie bestand gewöhnlich nur aus ihr Leben und ihre Piaster gerettet zu einem Hemd, rot= und weißgestreiften haben. Freilich war darunter auch man¬ Hosen, die von einem seidenen Gürtel cher arme Rajah*), der sein ganzes Be¬ um die Hüften festgebalten wurden. und sitztum verloren und sein täglich Brot einem kleinen griechischen Fez*) auf dem mit Lasttragen im Hafen verdienen Kopfe, der mit einer goldenen Troddel mußte. geschmückt war. Schuhe und Strümpfe Zu diesen gehörten ein gewisser De¬ verachtete er als weibischen Luxus. Er metrie Omeros. Niemand wußte mehr war vollkommen zufrieden mit seiner von ihm, als daß er aus Chios und nach einfachen Nahrung, die aus Trauben, dem Blutbad entkommen, sowie daß er Melonen, schwarzem Brot, Knoblauch ganz allein und sehr arm war. Er hatte und saurem Weine bestand. Hausmiete jedoch das Glück, daß er eine etwas seltene Kunstgeschicklichkeit besaß, die *) Fez (aus dem türkischen Faés, Mütze, seinen Erwerb, wenn auch sehr prekär, Käpsel) eine bei den Griechen, und Türken und anderen Orientalen übliche Kopfbedeckung. *) Rajah ist ein Untertan. D. V. D. V. 3
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