Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

28 Nur eines konnte den kühnen Plan glücklich zu Ende führen — die rascheste Fahrt — und während die beiden Ge¬ angenen mit unermüdlicher Geduld und aller Kraft daran arbeiteten, sich zu be¬ reien, verdoppelten der Kapitän und eine Leute ihre Anstrengungen, um so schnell wie möglich Tunis zu erreichen. Selbst Blaas legte wacker mit Hand an, und das Boot strich mit ungeheurer Schnelligkeit an der Küste des Mittel¬ meeres hin. Da winkte endlich der Hafen von Tunis und Blendheim atmete auf. Nun war ja die Wette gewonnen! Mit Sehnsucht wurde das Boot er¬ wartet, und als man desselben ansichtig wurde, drängte sich eine Menge Neu¬ gieriger herbei. Schnell verbreitete sich die Nachricht, man bringe den Allambra lebendig ein¬ gefangen. — Natürlich befand sich unter der Zahl der Anwesenden auch Mister Rintel und Mr. Rolms. „Lebendig?!“ rief der alte Rintel schon von weitem. Blendheim bejahte es durch ein Kopf¬ nicken: „Ueberzeugen Sie sich selbst, meine Herren, daß ich Wort gehalten habe.“ „Das ist ein Fra=Diavolo=Streich!“ rief der alte Rintel erfreut, während Mr. Rolms kaum seinen Verdruß unter¬ drücken konnte und „Illusionen“ zwischen den Zähnen murmelte. Denn er glaubte immer noch, von dem Deutschen betrogen zu werden. „Nun, meine Herren, halten Sie die Pistolen bereit, denn ich bin nicht sicher wenn ich den Käfig öffne, daßIhnen die Bestien an den Hals fliegen“, sagte Blendheim, der kaum imstande war, seine Aufregung zu verbergen. Alle bis auf Rolms standen in ge¬ spanntester Erwartung. Es blieb in der —Während Kajüte merkwürdig still. der Kapitän einem der Matrosen den Befehl erteilte jetzt die Türe zu öffnen, hielt er sowohl wie Blaas die Pistolen auf die Tür gerichtet, um auf jeden un¬ erwarteten Angriff der Schurken ge¬ rüstet zu sein. Die Tür sprang auf, aber niemand kam zum Vorschein — nun trat Blend¬ heim zuerst mutig in die Kajüte, aber im nächsten Augenblick stieß er einen Schrei aus und stürzte einige Schritte vorwärts und rief dann ganz außer sich: „Der Höllenhund ist uns nun doch ent¬ schlüpft!“ Die Nachdrängenden sahen nur noch, daß ein Kopf mit schwarzen Haaren in einer Lücke der Kajüte verschwand. Blendheim eilte auf das Verdeck, er¬ teilte in wilder Aufregung Befehle, den Flüchtling einzufangen Im Hafen wurde es lebendig, um auf den gefährlichen Räuber Jagd zu machen. In weiter Entfernung sah man den Kolf des Allambra auftauchen. „Wir müssen ihn lebendig haben, tausend Dollars zahle ich dem, der ihn uns lebendig bringt!“ rief der Kapitän der Mannschaft im anderen Schiffe zu. Sie mußten ihn nicht verstanden haben, denn ein Schuß krachte über das Wasser und das Haupt des Allambra verschwand in der Flut. Doch tauchte es nach kurzer Zeit wieder auf und jetzt rief auch Mr. Rintel voll Verzweiflung: „Tausend Dollars, wer ihn lebendig fängt!“ Die Mahnung schien diesmal von Er¬ folg zu sein, denn die Leute suchten sich mit Bootshaken des Flüchtlings zu be¬ mächtigen und ein lauter Jubel erscholl von allen Seiten, als ihnen dies ge¬ lungen. Nachdem Blendheim mit Rintel und Rolms jetzt das fremde Boot erreicht hatten, schlug der schwer Verwundete noch einmal die Augen auf. Als nun Blendheim triumphierend sagte: „Er lebt, die Wette ist gelungen!“ zuckte es noch einmal über das Gesicht des Banditen; er ballte krampfhaft die Faust, wollte noch eine Verwünschung murmeln, aber nur ein dumpfes Röcheln kam hervor, er streckte sich und war eine Leiche.

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