Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

Der Seeräuber. Erzählung von E. S. (Nachdruck verboten.) jenigen amerikanischen Kaufleuten, welche er Schiffsverkehr war auf dem ich in Tunis befanden und Schiffe auf Mittelmeer an den Nord¬ küsten Afrikas, die von den dem Mittelmeer schwimmen hatten, denn Ländern Barka, Tripolis, ie mußten befürchten, daß sich schließlich keine Mannschaft mehr fand, welche sich Tunis und Algier eingenommen waren, der Gefahr, ums Leben gebracht zu wer¬ und „die bis ins XIX. Jahrhundert den, aussetzen wollte. hinein „Raubstaaten“ genannt wurden Die Prämie, welche auf den Kopf des weit gefährlicher als heutzutage. Es verwegenen Gesellen durch freiwillige durchschwärmten damals zahlreiche ver¬ Beiträge der Kaufleute vermehrt wurde wegene Schiffer, „Korsaren“ genannt, wuchs auf fünftausend Dollars heran, das Mittelmeer, beraubten die Handels¬ doch alle diese Maßregeln blieben ohne chiffe und führten die Bemannung in Erfolg. die Sklaverei. Mit Freude wurde derjenige Kapitän Von diesem Raubgesindel war es na¬ begrüßt, welchem es gelungen, seine mentlich einem der verwegensten Halun¬ Ladung glücklich nach Tunis zu bringen ken genannt „Allambra“ gelungen, die weil es fast für ein Wunder angesehen Küsten von Tripolis unsicher zu machen. wurde, wenn ein Boot den Klauen des Ein Rätsel blieb es, wie er seine Schand¬ räuberischen Schurken entkommen war. taten ausführte; kam aber des Abends Soeben lief wieder ein Boot im Hafen ein Schiff in die Gegend, wo er mit ein und beglückwünschend drängten sich seinen Konsorten zu hausen pflegte, dann alle um den jungen Kapitän, der kühl sah man nach einigen Tagen oft Leichen und gleichgültig dreinschaute und diese ermordeter Matrosen im Meere schwim¬ Aufregung nicht zu begreifen schien. men, und völlig ausgeplünderte Boote „Tüchtiger Mann, dieser Blendheim, bis an die Mastspitzen im Wasser stecken. hat dem Allambra ein Schnippchen ge¬ Wie dieses Ungeheuer all seine zahl¬ chlagen. Freut Sie das nicht auch, reichen Verbrechen ausführen konnte, Mr. Rolms?“ wandte sich ein alter blieb ein Geheimnis, das niemand zu Kaufherr voll aufrichtiger Bewunderung lüften vermochte. Begründet war es, daß zu einem jungen Herrn in eleganter schon der Name Allambra den Schiffern Kleidung, der mit vornehm=nachlässiger auf dem Mittelmeer Furcht und Schrecken Haltung müßig auf dem Hafenkai um¬ einflößte und jeder Kapitän war glück¬ herschlenderte. lich, dem es gelungen, mit seinem Boote „Pah,“ entgegnete dieser darauf ge¬ der heimtückischen, rätselhaften Hyäne dehnt, „nichts als blindes Glück, wird des Meeres zu entschlüpfen. das nächstemal dem Allambra schon in Von Tag zu Tag liefen immer mehr die Hände laufen.“ Beschwerden bei dem Gouverneur von „Nein, das wird er nicht“ sagte der Tunis ein, und er setzte eine Prämie Kapitän, der zufällig noch das Wort von tausend Dollars auf den Kopf des des jungen Mannes gehört hatte. „Ich kühnen Seeräubers. denke noch oft, sehr oft mit meinem Boot Es verging eine geraume Zeit, ehe sich auf dem Mittelmeer zu segeln. jemand fand, der diese Summe ver¬ „Das freut mich sehr lieber Blend¬ dienen wollte. — Dagegen liefen immer heim“ versetzte der alte Kaufherr. wieder Nachrichten ein, daß Allambra „Und ich wette, Mr. Rintel, daß der nach wie vor sein Unwesen treibe. Kapitän das nächstemal nicht wieder¬ Große Aufregung herrschte unter den¬

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