Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

19 lich, wie im stillen Einverständnis nickte ohne ein Gefühl der Erregung blickte der Kranke ihm zu. Es war ja alles aus¬ er zur Seite, wo der Baum gestanden gesöhnt die Vergangenheit war ver¬ hatte. Der Platz war geebnet, eine gessen, die Zweige des Baumes sollten freundliche Bank dicht am Hause war jetzt den neuen Sonnenschein, welcher auf ihm errichtet. Freudig überrascht nun in sein Haus und sein Leben leuchtete sein Auge auf. „Wer — wer hat das getan?“ fragte strahlte, nicht mehr zurückhalten. er. Heinrich deutete lächelnd zur Seite Tage vergingen freilich noch, ehe auf Lüders. Kersten imstande war, das Bett zu ver¬ lassen, er hielt indes geduldig aus. Er Kersten stand still, mit Gewalt schien war ein anderer geworden, ruhig, mild, er seine Bewegung zurückzudrängen, es versöhnt. Wohl mochte er sich gestehen, gelang ihm nicht, denn seine Augen wurden feucht. daß er manches zu sühnen habe, er tat es, wenn Marie bei ihm war, dann er¬ „Lüders, ich danke Euch“, sprach er, faßte er ihre kleine Hand, blickte ihr in die Hand desselben drückend. die Augen und lbat ihr im stillen ab, was „Seht,“ erwiderte Lüders heiter, „ich er auch ihr an Leid zugefügt hatte. dachte, auf dieser Bank wollen wir beide „Nun wird noch alles gut“, sprach er oft sitzen; denn wir sind ja Nachbarn dann wohl und strich leise mit der Hand Wir haben manches nachzuholen und uns über die heilende Stirne hin, als bereue zu erzählen — hier ist ein guter Platz er durch seine Torheit sich um so viele dazu.“ glückliche Stunden betrogen zu haben. Und sie saßen oft darauf. Lüders war jeden Tag zu ihm hin¬ Kersten ertrug ruhig die über ihn ver¬ über gekommen, und er stellte sich auch hängte Strafe, denn er wußte, daß er an dem Tag ein, an welchem Kersten sie verdient hatte. Wohl schmerzte es von dem Arzte die Erlaubnis erhalten ihn, daß er das Gefängnis kennen lernte hatte, zum erstenmal wieder das Haus als er indes in das Dorf zurückkehrte zu verlassen. und niemand ihn deshalb geringer □ achtete, überwand er auch dies bald. „Ich will Euch stützen und geleiten“ sprach er heiter. „Seht, ich will Euch Noch nach Jahren konnte man zwei offen gestehen mancher im Dorfe glaubt ergraute Männer auf der Bank friedlich es noch nicht, daß wir Freunde sind, nebeneinander sitzen sehen — es waren nun sollen sie es sehen. Und sie sollen Kersten und Lüders. Sie freuten sich auch sehen, daß wir nun Freunde bleiben, gemeinsam über das Glück ihrer Kinder, denn es ist doch besser so!“ die schon längst miteinander verbunden Von Heinrich und Lüders unterstützt, waren, und auch zwei muntere derbe Jungen, welche oft zu ihren Füßen verließ Kersten langsam das Haus. spielten, waren ihre Enkel, und es wäre Seine Füße zitterten noch, seine Gestalt schwankte. Die frische Luft, der warme sehr schwer zu entscheiden gewesen, wer Sonnenschein taten ihm wohl. Da trat von den beiden Großvätern die Jungen er aus der Hoftür auf die Straße. Nicht am meisten geliebt hätte! S 24

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2