Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

„Vater!“ rief Heinrich erfreut und erfaßte des Kranken Hand. Erstaunt blickte Kersten um ich, die Erinnerung an das Geschehene schien noch nicht zurückgekehrt. „Weshalb sitzest du hier — ich habe geschlafen“, sprach er. Er wollte mit der Hand an die ver¬ Stirn fassen letzte Heinrich hielt die Hand zurück. „Du bist gefallen, Vater, fuhr Heinrich fort, „deine Stirn ist verletzt.“ 0 M 10 Seen — G.pb. Jetzt endlich schien in Kersten eine Er¬ innerung aufzutauchen. Starr richtete er den Blick auf Heinrich, und seine Brauen zogen sich etwas zusammen. So lag er einige Minuten regungslos da. „Wie lange habe ich gelegen?“ fragte endlich. er „Ueber acht Tage“, gab Heinrich zur Antwort. „Du warst schwer erkrankt, allein jetzt ist nach der Versicherung des Arztes jede Gefahr vorüber. Nur ruhig mußt du dich verhalten.“ 90 17 „Und du hast mich gepflegt?“ fragte Kersten weiter. „Ja“, erwiderte Heinrich. Wieder lag der Erwachte eine Zeit¬ lang regungslos da. Immer deutlicher schien das Geschehene vor seinem Geist aufzusteigen, die Verurteilung durch das Gericht, seine Heimkehr, sein Sturz über eine die Wurzel des Baumes. Und noch auf. andere Erinnerung drängte sich ihm Be¬ Hatte nicht eines Nachts, als seine sinnung für einen flüchtigen Augenblick en Rceun zurückgekehrt war, ein junges Mädchen an seinem Bette gesessen? Hatte er nicht gefühlt, wie eine kleine Hand ihm einen kühlenden Umschlag auf die brennende Stirn gelegt? War dies alles nur ein Traum? Fragend richtete er den Blick auf Heinrich. „Hat nicht hier ein junges Mädchen gesessen und mich gepflegt?“ fragte er. Heinrich zuckte leise zusammen, eine 2

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