Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

4 Nachbar in ihm hervorgerufen und das bittere Gefühl zurückgelassen, daß ihm Unrecht geschehen sei. Seines starren Eigensinnes wegen stand er fast von allen verlassen im Dorfe da; es war ihm gleichgültig, er hatte während Heinrichs Abwesenheit geduldig allein die ganze mühevolle Arbeit, welche die Bewirt¬ schaftung des Hofes verursachte, ver¬ richtet, und nur der Gedanke an Hein¬ richs Heimkehr hatte ihn aufrecht er¬ halten. Der einzige Sohn sollte als Erbe eintreten in seine Feindschaft und seinen Groll, und diese Hoffnung hatte Hein¬ rich sofort am ersten Tage seiner Heim¬ kehr vernichtet. Das ruhte schwer drückend auf ihm und langsam, gebeugt schritt er in seiner Stube auf und ab. Es war ihm, als ob das ganze Leben ihn betrogen habe. Da trat Heinrich in das Zimmer, noch erregt von dem Vorgang auf dem Tanzboden. Ohne ein Wort des Grußes trat er an das Fenster. Kersten stand still, richtete sich empor und heftete den Blick fest auf den Sohn. „Heinrich, ich will nicht, daß du mit dem Mädchen je wieder tanzest, oder ein Wort sprichst,“ rief er, „es ist die Tochter meines Feindes! Es war nicht gut, daß er diesen Ge¬ genstand wieder berührte, und obenein in so schroffer Weise. Heinrich warf die Lippen auf und zuckte mit der Schulter. „Mir hat Marie nie ein Leid zuge¬ fügt“ entgegnete er. „Der Groll gegen ihren Vater ist alt genug, um ihn end¬ lich ruhen zu lassen, Glück und Freude hatte er ohnehin niemand gebracht. Ich mag nicht in ihn eintreten! Kerstens Augen leuchteten. Dies hatte sein Sohn zu ihm gesprochen, auf den er all seine Hoffnungen gesetzt. „Schweig!“ rief er heftig. „Und wenn ich mein Leben dadurch erkaufen könnte, so würde ich meinem Feinde nicht die Hand reichen. Wenn du solche Gesin¬ nungen mit heimbringst, so wäre es besser, du wärst nie zurückgekehrt!“ „Vater!“ warf Heinrich nun vor¬ wurfsvoll ein. Kersten hatte sich nie mäßigen können, sollte er dem Sohne nachgeben? „Wir sind getrennt und geschieden für immer, wenn du meinem Willen nicht nachkommst!“ fuhr er fort. „Wenn dir die Tochter meines Feindes mehr am dann Herzen liegt als dein Vater — geh’ zu ihr. Klopf' an Lüders Tür tu' es —nur tritt dann nie wieder ein durch die meinige, sie ist dir verschlossen!“ Hastig erregt verließ er das Zimmer. Auch in Heinrich wallte es auf; sein Blut war nicht weniger heiß und leiden¬ schaftlich als das seines Vaters, dennoch mäßigte er sich, aber sehr schmerzhaft zuckte es in seiner Brust. Dies war der erste Abend im Vaterhaus nach drei¬ A1 jähriger Abwesenheit! Es war ein chwerer Kampf, den er bestand. Er war sich bewußt, kein Unrecht getan zu haben. Mariens liebliches Bild stand vor ihm, er sah ihre dunklen, großen Augen, aus denen eine stille Trauer zu ihm sprach, er wußte, daß es ihm schwer werden — würde, sein Herz von ihr loszureißen durfte er sich indes mit seinem Vater verfeinden? Still begab er sich auf seine Kammer, und wie ein banges Gefühl erfaßte ihn der Gedanke an die Zukunft. Was hatte er zu hoffen? Erst spät war Heinrich eingeschlafen gegen Morgen wurde er durch den Ru der Feuerglocke erweckt. Bestürzt fuhr er empor, seine Kam¬ mer, deren Fenster auf Lüders Hof hin¬ ging, war hell erleuchtet. Er sprang auf, eilte zum Fenster, und ein einziger Blick überzeugte ihn, daß Lüders Haus in Flammen stand. Schon schlugen dieselben aus dem Dach empor. Er stürzte hinab, um seinen Vater zu wecken, schon war derselbe indes auf und mit dem Einpacken seiner Sachen be¬ schäftigt, ein Zug freudiger Genugtuung — lag auf seinem Gesichte es war ja das Haus seines Feindes, welches brannte! Heinrich eilte aus dem Hause, um sich von der Größe der Gefahr für das Gehöft seines Vaters zu überzeugen.

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