Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

Aus Haß. Erzählung von Eugen Simson. (Nachdruck verboten.) ohne nach dem Namen der so still Da¬ Ser Sohn des Bauern Kersten itzenden zu fragen, eilte er zu ihr, er¬ war in das Dorf zurückge¬ faßte ihre Hand und zog sie in die Reihe kehrt. Drei Jahre hatte er als Soldat in entfernter der Tanzenden. Eine flüchtige Röte zog über des Mäd¬ Garnisonsstadt gelegen und während der chens Wangen hin. ganzen Zeit nicht ein einziges Mal Ur¬ „Du bist nicht aus diesem Dorfe? laub erhalten. Wie er als Rekrut aus sprach Heinrich, während sein Auge mit dem Dorfe geschieden war, hatte er den Wohlgefallen auf der lieblichen Gestalt Kopf hängen lassen und ein trauriges ruhte. Gesicht gemacht, jetzt trug er die Sol¬ „Doch!“ gab die Gefragte zur Ant¬ datenmütze keck auf das eine Ohr zurück. wort. „Ich konnte mir wohl denken, daß hatte den kleinen Schnauzbart zierlich du mich nicht erkannt hast!“ gedreht, blickte frisch und lustig in die Heinrich blickte seine Tänzerin prüfend Welt hinein und war in seinem ganzen an, ihre Züge tauchten in seiner Er¬ Auftreten leicht und sicher. Er schien ein innerung auf und überrascht rief er: ganz anderer geworden zu sein. „Ach, Marie, du bist es! Sogleich am ersten Abend seiner Heim¬ Als er vor Jahren das Dorf verlassen kehr hatte er sich auf den Tanzboden be¬ hatte, war sie noch ein Kind gewesen, geben und die alten Bekanntschaften klein und unscheinbar, und ohnehin hatte schnell wieder aufgefrischt. Die Burschen er sie wenig beachtet, obschon sie die umstanden ihn, um sich von ihm erzählen Tochter des Nachbars war, allein sein zu lassen, und die Mädchen blickten halb Vater war mit dem ihrigen bitter ver¬ verstohlen und neugierig zu ihm herüber, feindet und diese Feindschaft hatte sich denn bei der Unbeholfenheit der meisten auf die Kinder übertragen. Burschen hob sich sein leichtes und sicheres Unwillkürlich war zwischen Heinrich Benehmen doppelt günstig hervor. und Marie ein verlegenes Schweigen ein¬ Er hatte indessen nicht Lust, viel zu getreten, beide dachten an die Feindschaft erzählen sondern wollte lustig tanzen, ihrer Väter. Früher hatten sie nie einen er warf den Musikanten einige Groschen Gruß füreinander gehabt und jetzt stan¬ auf den Tisch und tanzte so lustig, wie den sie Hand in Hand da. er seit Jahren nicht getanzt. Es war Die jahrelange Abwesenheit Hein¬ doch ein anderes in der Heimat und richs, sein Leben in anderen Verhält¬ rings von bekannten Gesichtern um¬ nissen hatte indes auch eine andere Ge¬ geben! Er stampfte mit dem Fuß und sinnung hervorgerufen. jauchzte laut auf. Was kümmerte ihn die Feindschaft Da bemerkte er in einer Ecke des — Marie hatte ihm nie seines Vaters Tanzbodens ein junges Mädchen, welches „ ein Leid zugefugt. Ihre großen Augen till dasaß. Es konnte höchstens sechzehn blickten so tief und ernst, aus ihren Zügen Jahre alt sein, eine zarte Gestalt mit sprach eine solche Milde und Weichheit, feingeschnittenen Zügen und großen, daß er sie wieder und wieder ansehen dunklen Augen, welche auf ihn gerichtet mußte. Aller Augen waren auf sie ge¬ waren und sich senkten, als sie seinem richtet, denn die Feindschaft ihrer Väter Blicke begegneten. es drängte ihn kannte jeder im Dorfe — Er kannte das Mädchen nicht und zu zeigen, daß er frei von jedem Vor¬ hatte es auch noch nicht unter den Tan¬ urteile sei. „Komm', Marie!“ sprach er. zenden bemerkt, allein in den Augen „Was unsere Väter gegeneinander haben, desselben lag etwas, was ihn anzog, und

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