Fenster, ohne zu beachten, daß die Glas¬ scherben seine Hände verwundeten, um den Rauch hinauszulassen. „Die Kammer neben Ihnen!“ hörte er eine Stimme rufen. Er eilte wieder hinaus, es war unmög¬ lich, die Tür des Nebenzimmers zu er¬ reichen, der Fußboden und die Balken brannten bereits lichterloh. Er trat in das Zimmer zurück, nahm einen Stuhl und stieß die dünne Fachwand ein. Rauch * fullte auch diese Stube. Der Freiherr zwängte sich durch die Oeffnung, welche er gebrochen hatte und schritt vorsichtig und langsam vorwärts. Sein Fuß stieß an einen Gegenstand, er bückte sich, das Kind lag auf dem Boden. Ewald nahm es auf seine Arme und trat den Rückzug an. In derselben Richtung zurückschrei¬ tend, fand er die Oeffnung bald, die Tür erkannte er an den brennenden Balken. Die Treppe brannte, die Stufen krachten. Der Freiherr preßte das Kind fest an sich —. und eilte, die Bretter mit seinen Fußen kaum berührend, hinunter. Als er ins Freie trat, sank er ohn¬ mächtig zusammen, in demselben Augen¬ blick stürzte die Decke beider Kammern ein. Die Bauern wußten keinen besseren Rat, als daß sie einen Eimer über den Freiherrn ausgossen, das kalte Bad brachte den Bewußtlosen wieder zu sich. Er eilte in den Garten, in welchen die unglückliche Familie sich geflüchtet hatte. Das Kind lag leblos in den Armen der Mutter. Ohne die Kälte, die ihn durch¬ schauerte, noch die Schmerzen, welche die erhaltenen Brandwunden ihm verursach¬ ten, zu beobachten, stellte der Freiherr unverzüglich Versuche zur Wiederbelebung desselben an. Nach halbstündiger unaus¬ gesetzter Bemühung gelang es ihm, das Kind ins Leben zurückzurufen. Der Dank der Eltern wollte kein Ende finden. Der Freiherr forderte die Familie auf, ihm ins Schloß zu folgen. □ „Da habt Ihr's!“ sagte er zu dem Schreiner, der trotz seiner Brandwunden das kleinste Kind auf den Arm genommen 7 hatte, während die Mutter das gerettete geraten, trug. „Wie oft habe ich Euch Eure Habe zu versichern, nun seid Ihr am Bettelstabe. Was wollt Ihr jetzt be¬ ginnen? Gnädiger Herr, ich war ein Tor, daß ich Ihren Rat nicht befolgte, erwiderte der Schreiner, „ich baute wohl zu sehr auf die Beständigkeit des Glücks. Daß mich ein Brandunglück treffen könne, hielt ich nicht unmöglich, aber unwahrschein¬ lich, denn niemand war in Bezug auf Feuer und Licht vorsichtiger wie ich. Aber nun unser Kind gerettet ist, habe ich wieder frischen Mut. Durch Fleiß und Sparsamkeit haben wir uns eine kleine Summe erspart, sie sollte ein Notpfennig sein für unsere alten Tage, nun werden wir sie zum Bau eines Häuschens ver¬ wenden müssen. □ „Ihr habt selbst Euer Unglück ver¬ schuldet“, sagte Ewald. „Gnädiger Herr, können Vorwürfe es ändern? Der ist zu bedauern, den ein Un¬ lück trifft, aber derjenige, welcher aus dem Unglück nicht eine Lehre für die Zu¬ kunft zieht, den muß man verachten. Träge und feig die Hände in den Schoß * egen, wenn einmal eine dustere Wolke über uns hinwegzieht, ist eines Mannes unwürdig. Ewald schwieg, er fühlte sich getroffen. Die Worte dieses so schlichten Hand¬ werkers machten einen tiefen Eindruck aus ihn. Auch er stand ja auf dem Punkte alles zu verlieren, auch er konnte vielleicht aus den Trümmern noch manches retten. Marie hatte ihn sogar zur Rettung auf¬ gefordert, aber er zog es vor, diese Ret¬ tung nicht zu versuchen, weil er be¬ fürchtete, Verdruß durch sie zu ernten. Die Erinnerung an den Heldenmut und die todesverachtende Aufopferung der Mutter trat lebhaft vor seine Seele. Um ihr Kind, vielleicht nur die Leiche, den Flammen zu entreißen, wollte sie selbst sich in das Feuer stürzen, ungeachtet sie den sichern Tod vor Augen sah. Die Mutterliebe kannte keine Gefahr, sie klammerte sich mit der Verzweif¬ lung des Ertrinkenden an die Hoff¬
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