4 Verwalters könne durch einen ungerecht¬ fertigten Argwohn nicht erschüttert wer¬ den. Ich mußte schweigen, deine Antwort bewies mir, daß ich dein Vertrauen nicht mehr besaß.“ Der Freiherr blickte auf. „Du gehst zu weit, Marie“, sagte er. „Damals for¬ dertest du, ich solle mit meinen Freunden brechen und den Verwalter entlassen; du zähltest erst sechzehn Jahre, ich mußte deine Forderungen für das nehmen, was sie wirklich waren, Einflüsterungen meiner Mutter.“ „Sie waren dies nicht, Ewald. Ich be¬ obachtete im stillen und entdeckte manches, was dir verborgen blieb. Ich war zu jung, zu unerfahren, um meinen Ver¬ dacht näher zu untersuchen, deine Mutter beauftragte einen Advokaten, dies zu tun, der sie mit der Versicherung beruhigte, die Bücher seien in bester Ordnung.“ „Da siehst du, daß dein Verdacht der Begründung entbehrte “entgegnete Ewald. „Vorausgesetzt, daß ich der Begründung des Advokaten Glauben schenken will. Ich vermute, daß er durch den Verwalter be¬ ge¬ tochen wurde, und diese Vermutung winnt dadurch, daß er jetzt das Interesse deines Gläubigers vertritt, einen festen Halt.“ Ewald erhob sich. „Du klammerst dich an einen Strohhalm, Marie“, sagte er. „Den Glauben, daß dieser Strohhalm uns retten könne, magst du nicht gern ahren lassen. Ich wiederhole, daß ich dem Verwalter, der nun schon seit zwanzig Jahren in unseren Diensten steht, mein volles Vertrauen schenke. Aber gesetzt auch, er habe sich Unterschleife zuschulden kommen lassen, wozu kann es frommen, daß ich ihn zur Rechenschaft ziehe? Mor¬ gen geht die Herrschaft in fremde Hände 77 über „Wer weiß?“ fiel Marie ihm rasch ins Wort. „Vielleicht kommst du aus dem Schiffbruch ∆ „Torichte Hoffnung!“ fuhr der Freiherr gelassen fort. „Ich habe mich in den Sturz meines Hauses gefunden, mag es denn zusammenbrechen, ich will es neu aufbauen. Wozu die Verwaltungsbücher durchgehen? Ich würde mich ärgern über die Summen, die das Spiel verschlungen hat. Nein, nein, denken wir über die Ur¬ sache des Sturzes nicht weiter nach, wir können das Geschehene doch nicht ändern.“ Marie hatte sich dem Freiherrn ge¬ nähert, stolz und zürnend stand sie ihm gegenüber. „Ewald, ich habe dich stets ge¬ achtet,“ sagte sie, und der sanfte Ton ihrer Stimme war einem kalten Ernst gewichen, „selbst der Leichtsinn konnte dir meine Achtung nicht rauben. Ich beklage dich, aber die Hoffnung, der Ernst des Mannes würde über den Leichtsinn des Jünglings siegen, ließ ich nie fallen. Der Augenblick ist gekommen, in welchem du diesen Ernst zeigen mußt, die Stunde hat geschlagen, die den Mut und die Tatkraft von dir fordert, und jetzt zögerst du, dem ereinbrechenden Sturm die Stirn zu bieten, dem Schicksal mit Ernst und Mut entgegenzutreten! Das raubt dir meine Achtung, Ewald, nicht der Sturz deines Hauses beschimpft dich, sondern die feige Gleichgiltigkeit, mit welcher du diesen Sturz geschehen läßt.“ Sie schritt, ohne eine Erwiderung ab¬ zuwarten, hinaus. Ewald blickte mit düsterem Trotz ihr nach. „Bah, murmelte er, „das Herz des Weibes glaubt in jeder Sternschnuppe einen Stern zu entdecken, es hält an der Hoffnung fest, bis die Wellen die letzte Planke verschlungen haben. Die letzte Nacht!“ fuhr er fort „ruiniert!“ und ein Schatten der Wehmut glitt über sein düsteres bleiches Antlitz. „Die letzte Nacht im Vaterhause! Als der Vater starb, als er die Hand segnend auf mein Haupt legte — bah, wozu diese ernsten Gedanken? Können Klagen und Vorwürfe das Rad des Schicksals in seinem Laufe hemmen? Fort mit ihnen, ich will heiter sein, heiter das Erbe ver¬ lassen, welches ich heiter antrat!“ * Er näherte sich der Tur und zog die Glocke. „Eine Flasche Champagner!“ herrschte er den eintretenden Diener an. „Wird wohl nicht manche Flasche mehr im Keller liegen, alte Nachteule, daß du den Kopf schüttelst, he? Vorwärts sage ich, Löwi, der Wucherer, der morgen hier
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