Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

2 Bettelstab hinauswandern, um eine neue Heimat zu suchen.“ Der junge Mann wandte sich um. „Trage ich allein die Schuld?“ fuhr er zornig auf. „Hat nicht mein Großvater schon den achten Teil der Ländereien ver¬ —7 pfändet? Hat nicht mein Vater „Laß die Toten ruhen“ fiel Frau von Assenborn ihm ernst ins Wort. „Dein Großvater verpfändete jene Ländereien, weil die Not ihn dazu trieb. Der Krieg hatte die Ernte vernichtet und das Dorf eingeäschert. Dein Vater mußte ebenfalls einige Aecker verpfänden, um den durch den Mißwachs mehrerer Jahre verarmten Bauern unter die Arme greifen zu können. Aber bei seinem Tode zählte die Kasse einen so bedeutenden Barbestand, „ daß jene Pfandscheine hätten eingelost werden können. Du tratest nach der Be¬ erdigung deines Vaters eine Reise nah Italien an, als du zurückkehrtest, waren neue Schulden zu den alten hinzuge¬ kommen. Meine Bitten und Warnungen fruchteten gar nichts, du bliebst deiner Lebensweise treu. Die guten: Freunde wohnten im Schlosse, Jagd= und Zech¬ gelage wechselten miteinander ab, Tau¬ sende wurden an einem Abend im Spiel vergeudet. Damals warst du nicht zu stolz, dem Löwi in Köln gute Worte zu geben.“ Der Freiherr zuckte die Achseln. „Es war Sache des Verwalters, mich auf den Ruin aufmerksam zu machen“ entgegnete er. „So oft ich Geld forderte, erhielt ich es, ich habe niemals deshalb gute Worte verschwendet.“ „Der Verwalter hat dir oft genug ge¬ agt, daß die Kasse leer sei und ein neuer Pfandbrief aufgenommen werden müsse, du unterschriebst die Dokumente und dich mußtest wissen, daß jeder derselben deinem Ruine näher brachte. Ich habe 7 dich gewarnt, dich gebeten, abzulassen „Mutter, brechen wir das Thema ab,“ sagte der Freiherr kalt, „deine Vorwürfe ändern das Geschehene nicht. Löwi muß für die Abtretung der Herrschaft mir vierzigtausend Taler zahlen, sie sollen das Fundament bilden, auf welches ich neu aufbauen will.“ Die alte Dame schüttelte wehmütig das Haupt. „Ich weiß was ich von diesen guten Vorsätzen zu halten habe, sagte sie, „du hast sie oft gefaßt, aber nie ausge¬ # führt. Ich werde morgen mit Herrn Löwi reden, er muß mir einige Stuben in diesem Hause überlassen, ich hoffe — „Bah, es würde meiner Ehre wider¬ streben, mit einem Wucherer unter einem Dache zu wohnen“, spottete der Freiherr. „Kann ich nicht mehr Gebieter in dem Hause meiner Väter sein, so will ich „Mein Entschluß steht fest“ unterbrach die Freifrau ihn ruhig. „Mich trifft die Schande unseres Hauses nicht, sie ruht auf dir allein.“ Sie erhob sich und verließ, auf die Schulter des Mädchens gestützt, das Gemach. Ewald machte keinen Versuch, sie zu¬ rückzuhalten. Sein Blick ruhte wieder auf der schönen Landschaft, die er einst sein eigen genannt hatte, aus der er, der Sohn des stolzen, reichen Freiherrn v. Assen¬ born, morgen, mit Schimpf und Schande beladen, scheiden muß. Wohl hatte die Mutter recht, ihn allein traf die Schuld. Die Vorwürfe, die sein eigenes Gewissen ihm machte, erbitterten ihn. Hätte ein chwerer Schicksalsschlag ihn getroffen, 1 hätte Krieg, Mißwachs oder Betrug ihm das Erbe der Väter entrissen, er würde sich vielleicht geduldig in das Unvermeid¬ liche gefügt und mit ungebeugtem Mut in die Zukunft geblickt haben. Nun er sich aber sagen mußte, daß sein Leicht¬ sinn, seine Verschwendung ihn an den Bettelstab brachten, suchte er die Schuld anderen zuzuschieben, auf die er seinen Unmut übertragen konnte. Vergangenheit „ und Zukunft beschaftigten in diesem Augenblicke seine Seele nicht, er dachte nur an die Gegenwart, an den Schimpf, der ihm bevorstand. Da fühlte er plötz¬ lich eine Hand auf seiner Schulter, er wandte sich um und blickte in das Gesicht Mariens, welche ihn wehmütig ernst an¬ schaute. „Deine Mutter zürnt,“ sagte sie sanft, „ich kann ihr nicht Unrecht geben.

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