Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

Schloß Rheinfels. Novelle von Eugen Simson. trugen, Abbruch. Außer ihm befanden sich er Mond goß sein silbernes noch zwei Personen in dem kleinen, trau¬ Licht über die Herrschaft der 7 Burg Rheinfels des Freiherrn lichen Gemach, eine alte Dame und ein 1von Assenborn. Eine schöne junges, schönes Mädchen. Die Dame schien leidend zu sein, sie und reiche Besitzung war diese Herr¬ schaft. Das hohe stattliche Schloß, saß in einem mit Kissen belegten Sessel, „Burg Rheinfels“ benannt, mit seinen in ihrem Blick, der unverwandt auf den altersgrauen Zinnen und Türmen, blickte jungen Mann ruhte, spiegelten sich ängst¬ zu Füßen auf ein friedliches Dorf, auf liche Besorgnis und Kummer. Das üppige Weinberge, wildreiche Wälder Mädchen stand neben ihr, es stützte sich und fruchtbare Aecker, und namentlich auf die Rücklehne des Sessels. auf den schönen grünen Rheinstrom „So haben wir keine Hoffnung mehr?“ hinab; soweit das Auge reicht, war das fragte die alte Dame mit bewegter Land Eigentum des Freiherrn Ewald Stimme. v. Assenborn, der im Range den ersten „Keine, Mutter,“ entgegnete der junge Fürsten des Landes gleichstand. Mann, „die Herrschaft ist zu sehr ver¬ 7 Wie oft war der Mond Zeuge gewesen chuldet von lärmenden Festlichkeiten, die in „Wie lautet die Ordonnanz?“ fragte diesem Schlosse gefeiert wurden. Wie oft die Freifrau, sich zu dem Mädchen wen¬ hatte er aus den freiherrlichen Forsten dend. „Du hast sie mir vorgelesen, Marie eine glänzende und muntere Jagdgesell¬ mein Gedächtnis ist so schwach, ich kann chaft zurückkehren gesehen, wie oft hin¬ mich des Inhalts nicht genau entsinnen. „Sie lautet, daß der Freiherr Ewald untergeblickt auf ein kosendes Liebespaar v. Assenborn aufgefordert wird, am welches unter den hundertjährigen Eichen 26. September mit seiner gesamten des Schloßparks wandelte und gegen¬ Familie und Dienerschaft das „Schloß seitig Schwüre ewiger Treue wechselte. Rheinfels“ zu verlassen, aber seinen Heute war es still und öde in dem Ansprüchen auf die Herrschaft zu¬ Schlosse. Kein Becherklang, kein Gesang gunsten des Herrn Löwi in Ge¬ lustiger Zecher, kein Hundegebell, kein genwart des Richters feierlich Gewieher ungeduldig harrender Rosse zu entsagen, auch alle auf den An= und unterbrach die Stille der Nacht, kein Verkauf, wie auf die Verwaltung der Licht erhellte die hohen, düsteren Bogen¬ Herrschaft bezüglichen Papiere in die enster. Nur ein Erkerfenster war schwach Hände des genannten Herrn Löwi aus beleuchtet. Dort stand der derzeitige Be¬ 7 Köln am Rhein niederzulegen sitzer des Schlosses und sein Blick ruhte „Und so weiter!“ fiel der Freiherr un¬ mit dem Ausdruck verbissenen Zornes mutig dem Mädchen in die Rede. „Für auf der schönen Landschaft. Er war noch einen die ganze Geschichte gäbe ich nicht jung, vielleicht dreißig Jahre alt, seine Löwi Schuß Pulver, wenn nicht dieser hohe, schlanke Gestalt, die breite, ge¬ aus Köln mein Gläubiger wäre! Mit völbte Stirn, welche das dichte, schwarz¬ diesem Wucherer mag ich nicht in Unter¬ gelockte Haar umrahmte, die dunklen, handlung treten, von ihm mag ich keine feurigen Augen, die scharfgebogene Nase Galgenfrist erbitten.“ und die fein geschnittenen Lippen, die der Ewald bedenke, das Erbe deiner volle Bart beschattete, gaben ihm An¬ Väter steht auf der letzten Karte,“ warnte spruch auf den Namen eines schönen die Freifrau, „morgen sollen wir unsern Mannes, aber der Schönheit dieser Züge Stammsitz für immer verlassen und am tat die Blasiertheit, deren Stempel sie

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