Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

105 Traum zu lächeln, wo er sich im Para¬ mit Ausdauer angewendete Kunst des diese sah. Priesters die Krankheit und genas einige Der Mesner rief nun Doktor und Leute, Zeit darauf. da aber keine Hilfe möglich war, so trugen Pater Anselmus begab sich vom sie ihn hinaus auf die Pestwiese, zu jenen, Sterbelager im Ennsdorf noch zu mehreren denen er Trost und Hilfe gespendet. Kranken und suchte erst spät nachts, müde Der treue Priester des Herrn war und fröstelnd, sein Lager auf und gab inmitten seiner Pflichterfüllung ein Opfer dem Mesner die Weisung, ihn zeitlich der Pest geworden. morgens zu wecken. Kaum graute der Dort, auf der Wiese vor St. Anna, Morgen, als denn auch der Mesner schon wo das Gras so üppig wuchert, so schön an des Paters Tür pochte. Da er keine und saftig herausschießt aus der Pest¬ Antwort erhielt, klopfte er stärker, aber wiese, dort steht ein verwittertes Stein¬ wieder vergebens. Das fiel dem Mesner kreuz. Es neigt sich, wie im stummen auf und er öffnete gewaltsam die Tür, Schmerz über die Vergeßlichkeit der Men¬ stand aber erst wie erstarrt bei dem An¬ chen, denn so einsam und verlassen das blicke, der sich ihm darbot. Kreuzlein steht, so verlassen und heute Pater Anselmus lag tot auf seinem ungenannt und ungekannt ruht unter Bette, die deutlichsten Spuren der Pest ihm Pater Anselmus, zu dessem Andenken an sich tragend. Nur das Gesicht war das Kreuzlein gesetzt wurde. nicht entstellt, es schien wie in jenem V. Warum die Menschen nicht wissen, wann sie sterben müssen. habe, damit jeder selbst erkenne, seine Es gab einst eine Zeit, wo sich der Zeit des Wachsens, des Gedeihens, des liebe Gott — freilich in großen Zeit¬ Schaffens, des Genusses und dann der abständen, denn die Welt, die seine All¬ Ruhe vor dem Eingang in die Ewigkeit. macht beherrscht, ist unendlich und die Dadurch sollte beim Menschen die Zeit Erde nur ein winziger Teil davon — des Erdenwallens geregelt werden, ihm noch ab und zu persönlich auf unserem die Ausnützung der verliehenen Kräfte Wohnsitze nach dem Wohl und Wehe erleichtert und dem Ende des Daseins einer Geschöpfe umsah, die er nach seinem das Ungewisse desselben benommen und Ebenbilde geschaffen und berufen hat, dem Menschen die Zeit gegeben werden, durch seinen göttlichen Funken, Gnade sich gehörig zum Gange in die Ewigkeit genannt, zu höheren Wesen zu werden vorzubereiten. so diese Geschöpfe, die sich Menschen Und so überließ denn Gott der Herr, nennen, diesen göttlichen Funken in sich nachdem er die Schöpfung der Erde und aufzunehmen und festzuhalten verstehen. des Menschen vollendet hatte, dem Men¬ Als Gott der Herr den Menschen das chen die irdische Heimat, wandte sich Paradies nahm und sie zwang, sich das wieder dem Beherrschen des Weltalls und Paradies erst wieder durch ein prüfungs¬ neuen Schöpfungen zu, nur ab und dann reiches Leben auf der Erde für die Ewig¬ der Erde die Bahn im Weltall weisend, keit zu erwerben, gab er ihnen auch alle wenn sie im ungestümen Laufe seine jene Fähigkeiten mit, um die Prüfungs¬ Kreise zu stören drohte, und es dem zeit damit bestehen zu können, und eben Menschen überlassend, nach freiem dazu verlieh er den Menschen noch über¬ Willen sich das Erdenwallen so erträg¬ dies die Erkenntnis zu wissen, wie lange lich, als es möglich war, selber zu gestalten. jeder von ihnen auf der Erde zu wandeln

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2