Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

wüchsen verhältnismäßig rasch durch das Auf¬ gebot großer Truppenmassen unterdrückt wurde. Die agrarische Krise hatte auch eine Kabinetts¬ krise zur Folge, durch welche am 25. März 1907 an die Stelle des konservativen Kabinetts Can¬ tacuzene ein liberales Kabinett Demeter A. Sturdza gelangte. Das neue Ministerium löste am 9. Mai das Parlament (Senat und Kammer) auf, in welches nun nach vollzogenen Neuwahlen große liberale Majoritäten einzogen. Serbien wird noch immer vom Minister¬ präsidenten Pasic regiert, der trotz wieder¬ holter Demissionen, Neuwahlen, heftiger Oppo¬ sition und Obstruktion in der Skupschtina noch keine Ablösung gefunden hat. Dementsprechend dauert auch der Konflikt mit Oesterreich=Ungarn und damit der daraus entstandene Zollkrieg fort. In der letzten Zeit scheint sich aber die Aussicht auf eine Aenderung wenigstens des Verhältnisses mit unserer Monarchie zu heben. — Am 28. Mai 1907 starb Milorad Mitrovic, einer der bedeutendsten serbischen Dichter der Gegenwart. — Am 29. August 1906 starb zu Vrujaskabanja der im Jahre 1828 in Belgrad geborene General Jovan Belimarkovic der letzte der drei serbischen Staatsmänner (Belimarkovic, Ristic und General Protic), die einst für den minderjährigen König Alexander die Regentschaft geführt. Mit ihm schied einer der treuesten Paladine der unglücklichen Dynastie Obrenovic. Bulgarien war am 11. März 1907 wieder Zeuge eines Ministermordes. An diesem Tage ermordete ein Desperado namens Pet¬ row den der stambulowistischen Partei ange¬ hörigen, auf Petrow gefolgten Ministerpräsiden¬ ten Petkow, an dessen Stelle dann der Kammerpräsident Gudew trat. Der Mörder wurde sofort verhaftet, am 4. Juli durch das Feldkriegsgericht zum Tode verurteilt und am 16. Juli hingerichtet. Montenegro bekam die ihm am 5. No¬ vember 1905 verliehene Konstitution nicht son¬ die übri¬ — derlich gut. In der Berichtsperiode gens dem kleinen Lande die Aufhebung der Todesstrafe, ausgenommen in Fällen des Hoch¬ verrats, brachte — gab es mannigfache Konflikte zwischen dem jungen Parlamente und der Re¬ gierung; es gab oppositionelle Wahlen, Minister¬ krisen, bei denen liberale und autoritäre Kabi¬ nette bunt wechselten, es gab auch kleine Auf¬ 93 Verhaf¬ ruhrsepisoden und Plünderungsszenen tungen von Oppositionellen, Straßenkämpfe und ja gegen selbst Standrechtsproklamationen Ende unserer Berichtsperiode betrachtete man die Lage Montenegros als ziemlich ernst. Aber chließlich hat die ganze montenegrinische Ge¬ schichte in der hier behandelten Epoche für das Heil Europas und der Menschheit wohl kaum eine ein Sturm im Wasser¬ besondere Bedeutung — glase! Türkei. Am 28. Juli 1907 wurde von der Pforte über Wunsch der Samoiten der Fürst von Samos Vithynos, abgesetzt und am folgenden Tage Kenstantin Karatheodory zu seinem Nach¬ Am 16. September 1906 folger ernannt. — trat der bisherige Oberkommissär von Kreta, Prinz Georg von Griechenland, von diesem Posten zurück und wurde sohin mit Zu¬ stimmung der Schutzmächte vom König von Grie¬ chenland der Grieche Zaimis zu seinem Nach¬ folger ernannt, unter dessen Regierung dann der von der Nationalversammlung ausgearbeitete Entwurf einer neuen Verfassung von den Schutz¬ mächten approbiert wurde. Die darauf angeord¬ neten, am 9. Juni vollzogenen Neuwahlen er¬ gaben die Wahl von 33 Anhängern der Regie¬ In der Öster¬ rung und 32 Oppositionellen. — woche 1907 wurde die Stadt Bitlis, die Han¬ delshauptstadt Armeniens, durch ein Erdbeben zerstört. Afrika. Am 12. Dezember 1906 wurde die Urkunde durch welche Transvaal eine neue Verfas¬ sung verliehen wird, publiziert. Danach besteht der gesetzgebende Rat (Oberhaus) aus 15 vom Gouverneur ernannten, die gesetzgebende Ver¬ sammlung (Unterhaus) aber aus 69 gewählten Mitgliedern. — Bei den im Februar 1907 voll¬ zogenen ersten Parlamentswahlen ergab sich eine Mehrheit für die Boerenpartei. Präsident des ersten parlamentarischen Ministeriums wurde der einstige Boeren=General Louis Botha. Marokko war teils durch Konflikte mit Frankreich, welche zur Besetzung Udjas führten teils durch die revolutionäre Haltung des ab¬ gesetzten Gouverneurs der Provinz Sfati, des marokkanischen Banditen Raisuli, der Schau¬ platz fortwährender, am Schlusse der Berichts¬ periode noch fortdauernder Unruhen und Kämpfe.

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