löschen würde, so müßte die Erbfolge auf die jüngere — ottonische — jetzt in Holland regie¬ rende Linie übergehen, die aber ebenfalls keinen männlichen Sprossen aufzuweisen hat. Man uchte daher — da eine weibliche Erbfolge nach — den bisherigen Normen ausgeschlossen schien und fand einen Ausweg, indem die Regierung der Luxemburgschen Kammer am 4. Juni 1907 einen Gesetzentwurf über ein Familienstatut des Großherzogs Wilhelm vom 16. April 1907 vor¬ legte, welches bestimmt, daß dem Großherzog in Ermanglung eines männlichen Erben seine erst¬ geborene Tochter Prinzessin Mari Adelheid und nach ihr ihr Mannesstamm in der Krone Luxemburgs nächzufolgen habe. Im Falle des Ablebens der erstgeborenen Tochter ohne Hinterlassung einer Nachkommenschaft sind die anderen Töchter des Großherzogs in gleicher Weise nach Primogeniturrecht zur Erbfolge be¬ rechtigt. Dieser Gesetzentwurf wurde trotz eines dagegen eingebrachten Protestes des Grafen Nikolaus v. Merenberg, des Sohnes des verstorbenen Prinzen Nikolaus von Nassau aus dessen morganatischer Ehe mit Gräfin Meren¬ berg geb. Puschkin, am 5. Juli 1907 von der Kammer angenommen. Am 9. Juli 1907 nahmen beide Häuser des württembergischen Landtages eine neue Verfas¬ sung endgiltig an, womit die jahrzehntelangen Verfassungskämpfe in Württemberg beendet er¬ cheinen. Die neue Verfassung bringt eine reine Volkskammer, das heißt das Ausscheiden der Pri¬ vilegierten aus der II. Kammer und deren Ersatz durch 17 mittels Proportionalwahl zu wählende Abgeordnete. Während die Mitgliederzahl der II Kammer unverändert bleibt, erfährt die I. Kammer eine gründliche Umgestaltung durch 21 neue Mitglieder, bestehend aus Vertretern der Ritterschaft, der Kirchen, der Hochschulen und der großen Berufsstände. Im Spätfrühjahr 1907 erregten die in der „Zukunft“ publizierten Enthüllungen des Schrift¬ tellers Maximilian Harden über eine auf dem Schlosse des Fürsten Philipp v. Eulenburg, Lie¬ benberg, tagende Art Nebenregierung (Kamarilla) welche bestrebt war, die Pläne des Reichs¬ — kanzlers Fürsten Bülow zu durchkreuzen großes Aufsehen. Fürst Eulenburg und seine Genossen fielen in Ungnade. Nicht minder pein¬ liches Aufsehen erregte in Deutschland eine Reihe ziemlich unreinlicher Kolonialaffären, so die 85 Affäre Tippelskirch — Podbielski, welche schließlich zur Demission des Landwirt¬ schaftsministers Podbielski und zu dessen Ersatz durch den Rittergutsbesitzer v. Arnim Crieven führte, und die Affäre des Dr. Karl Peters. Ueberraschend kam auch die am 11 September 1906 erfolgte Ernennung des Direktors der Bank für Handel und Industrie (Darmstädter Bank) Bernhard Dernburg zum stellvertretenden Direktor der Kolonial¬ abteilung des auswärtigen Amtes an Stelle des Erbprinzen Hohenlohe=Langenburg. die Ablehnung Eine Kolonialangelegenheit — eines Nachtragskredits von 29,220.000 Mark für durch eine Koalition des Deutsch=Südwestafrika —. Zentrums, der Sozialdemokraten und der Polen war auch die unmittelbare Veranlassung der am 13. Dezember 1906 erfolgten Auflösung des Deutschen Reichstages, wir sagen die unmittel¬ bare Veranlassung, denn die starke Vertretung der Sozialdemokraten, die Vorherrschaft des Zen¬ trums im Reichstage war dem Reichskanzler Fürsten Bülow wohl schon längst ein Dorn im Auge. Die am 25. Jänner 1907 vollzogenen Neuwahlen dezimierten zwar die sozialdemo¬ kratische Fraktion, das Zentrum konnte aber nicht geschwächt werden; doch machte es die Er¬ starkung der liberalen bürgerlichen Parteien dem Fürsten Bülow möglich, sich teilweise wenigstens auf einen liberal=konservativen Block zu stützen Eine Folge des Ausfalles der Wahlen war die Demission des preußischen Staatsministers und Staatssekretärs des Reichsamtes des Innern Dr. Arthur Graf Posadowsky=Wehner der sozialpolitisch bewegenden Kraft des Mini¬ steriums, der sich aber gegen die Auflösung des Reichstages ausgesprochen hatte, und des konser¬ vativ=klerikalen preußischen Unterrichtsministers Dr. v. Studt. An Stelle Posadowskys wurde der preußische Minister des Innern v. Beth¬ mann=Hollweg — der seinerseits den Re¬ gierungspräsidenten in Königsberg v. Moltke zum Nachfolger erhielt — und an Stelle Doktor Studts der Unterstaatssekretär des Arbeitsmini¬ steriums Dr. Holle ernannt. Am 3. Juli 1907 brannte die berühmte Mi¬ chaeliskirche in Hamburg — eine der größten architektonischen Zierden und ein Wahr¬ zeichen der Stadt, eine der bedeutendsten Kirchen Norddeutschlands — fast vollständig ab. Schon im Jahre 1750 war die Kirche durch Blitzschläge
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