Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

74 daß sie, wie die Koalition die Trennung von Oesterreich verlangt, nun die Trennung Kroatiens von Ungarn anstrebt, daß sie die Obstruktions¬ und Tumultmethode der Opposition respektive Koalition gegen die Ministerien Tisza und Fejer¬ vary im kleinen kopiert u. s. w. Und wie eine Strafe könnte man es betrach¬ ten, wenn die Regierung einer Koalition, welche sich — und wohl nicht mit Unrecht — gegen¬ über allen früheren Regierungen gegen jede die Redefreiheit einengende Aenderung der Ge¬ schäftsordnung krampfhaft gewehrt hat, nun selbst mit dem Verlangen einer solchen Aende¬ rung der Geschäftsordnung an ihre eigene Partei herantritt. * * * Am 18. Juni 1907 konnte die österreichische Armee das 150jährige Jubiläum der Errichtung des Maria Theresia=Ordens, jenes hohen öster¬ reichischen Militärordens feiern, welcher am — 18. Juni 1757, dem Tage der Schlacht bei Kolin, von Kaiserin Maria Theresia für hervorragende Verdienste im Kriege, „besondere herzhafte Tat“ gestiftet wurde. Dieser Orden hatte zuerst nur Großkreuze und Ritter, denen aber Kaiser Josef II. am 15. Oktober 1765 noch Komman¬ deure und Ritter II. Klasse hinzufügte. Bei der Verteilung dieses Ordens soll weder auf Rang, noch Religion, noch Abkunft, sondern allein auf militärisches Verdienst gesehen werden. Das Ordenskapital prüft die Taten des Kandidaten. Die Ordensverleihung geschieht sehr sparsam. Ordensmeister ist der jeweilige Chef des öster¬ reichischen Kaiserhauses. Aus Anlaß des 150jähri¬ gen Ordensjubiläums erließ der Kaiser am 14. Juni 1907 folgendes am 18. Juni 1907 publiziertes Handschreiben an Feldzeugmeister Freiherrn v. Fejervary als Kanzler dieses Ordens: „Als einer der wenigen Aus¬ erlesenen, deren tapfere Brust das Ritterkreuz meines Militär=Maria=Theresien=Ordens ziert führen Sie das Amt des Kanzlers dieses Ordens, welcher vor 150 Jahren nach einem ruhmvollen Siege von der großen Kaiserin und Königin Maria Theresia gestiftet wurde. Dieses Ehren¬ zeichen sollte die Offiziere aneifern, im Kriege Taten zu vollbringen, die, weit über das Maß wackerer Pflichterfüllung hinausreichend, nur von Männern ausgeführt werden, bei denen sich her¬ vorragende Tapferkeit mit militärischem Scharf¬ blicke und hoher Verantwortungsfreudigkeit ver¬ eint. Den Absichten der erhabenen Stifterin ist in reichem Maße entsprochen worden. Bei strengster Einhaltung der Statuten, bei gewissen¬ haftester Sichtung vieler verdienstvoller Taten, wurden im Zeitraume von 150 Jahren 1005 Generale und Offiziere des Theresien=Ordens würdig befunden; 1005 Heldennamen sind in der Geschichte des Ordens verzeichnet, ihnen zur Ehre, den Zeitgenossen und kommenden Gene¬ rationen ein leuchtendes Vorbild! Lange Friedens¬ jahre haben fast alle Ordensmitglieder aus dem Leben scheiden sehen. Wenn es aber dereinst nötig würde, wieder für Thron und Vaterland zu der kämpfen, dann wird — des bin ich sicher — alte Zauber des Theresien=Ordens erneuert Tau¬ sende tapferer Soldatenherzen zu kühnen Taten begeistern, dann werden neue Helden in die Reihen der Vorfahren treten, dann wird sich be¬ wahrheiten, daß der Geist unverbrüchlicher Treue und Hingabe, der meine Wehrmacht im Glück und im Unglück beseelte und sie ruhmvolle Taten vollbringen ließ, fortlebt. Der 150jährigen Wiederkehr des Stiftungstages des Militär¬ Maria=Theresien=Ordens gedenkend, begrüße ich voll Anerkennung diejenigen, welche gleich Ihnen heute noch lebende Träger des erhebenden Ehren¬ zeichens sind.“ * „ * Am 8. Juni 1907 beging Ungarn das 40¬ jährige Jubiläum der am 8. Juni 1867 erfolgten Krönung Kaiser Franz Josefs zum König von Ungarn. Der Herrscher war aus diesem An¬ lasse nach Budapest gekommen, woselbst die Jubi¬ läumsfeierlichkeiten in der kirchlichen Feier des Jubeltages in der Ofener Krönungskirche gipfel¬ ten. Die rascher als gehofft erfolgte Abreise des Herrschers von Budapest gab den Budapester Blät¬ tern am 11. Juni Anlaß zu allerhand Berichten über Verstimmungen des allerhöchsten Herrn welche teils mit verschiedenen Vorgängen bei den Krönungsfeierlichkeiten, teils mit der Frage der sogenannten Verfassungsgarantien, teils mit der beantragten Verleihung von hohen Aus¬ Eine zeichnungen zusammenhängen sollten. Kontrolle dieser Berichte und Gerüchte war selbst¬ nur das Faktum verständlich unmöglich— blieb, daß der Herrscher eher als man erwartet, Budapest wieder verließ. * *

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