ernonnte ungarische Justizminister Dr. Anton Günther den Eid in die Hände des Herrschers ab. Eine zweite Verlegenheit entstand dem Koalitionsministerium durch die Opposition, welche die kroatische Delegation im ungarischen Abgeordnetenhause gegen den vom Handels¬ minister Kossuth eingebrachten Gesetzentwurf über die Dienstpragmatik der Angestellten der ungarischen Staatsbahnen — in welchem sie eine Verletzung des zwischen Ungarn einerseits, Kroatien und Slavonien anderseits geschlossenen staatsrechtlichen Uebereinkommens erblickte erhob, und durch deren von Kossuth als absolut unannehmbar erklärtes Verlangen, daß die Qualifikation für den Eisenbahndienst auf den kroatischen Linien der Staatsbahnen die Kennt¬ nis der kroatischen Sprache sei. Die Ablehnung dieser Forderung der kroatischen Delegation führte zu schlimmen Skandalen, zu akuten bis zu tätlichen Angriffen sich steigernden Konflikten im Abgeordnetenhause, zur technischen Obstruk¬ tion, zur Unterbindung und Lähmung der par¬ lamentarischen Tätigkeit des Abgeordnetenhauses und schließlich zu einem Handstreiche der Re¬ gierung, welche, um die Kroaten zu hindern ihre zu den einzelnen Paragraphen eingebrachten Anträge zu begründen und damit die Diskussion ins Unendliche auszudehnen, und um so die kroatische Opposition unschädlich zu machen, am 3. Juli 1907 einfach den eingebrachten Gesetz¬ entwurf beschnitt und aus 58 Paragraphen einen einzigen machte, in welchem auch die Be¬ stimmung aufgenommen wurde, daß die Staats¬ eisenbahnbeamten in Ungarn magyarisch verstehen müssen, daß aber in Kroatien auch die Kenntnis des Kroatischen erwünscht sei, wogegen die eigent¬ liche Dienstpragmatik im Verordnungswege durchzuführen wäre. Die Kroaten beantworteten diesen Handstreich mit ihrem Exodus aus dem Abgeordnetenhause (worauf das beschnittene Ge¬ setz zur Annahme gelangte) und — da Ungarn — den Ausgleich mit Kroatien zerrissen habe mit dem Verlangen nach Loslösung Kroatiens von Ungarn. Der Banus von Kroatien, Graf Theodor Pejacsevics, hatte inzwischen seine Demission gegeben — an seine Stelle wurde der Präsident der Banaltafel, des obersten Gerichtshofes in Agram, Dr. Alexander Ra¬ kodczay, ernannt. Daraufhin gaben auch die kroatischen Sektionschefs Nikolic, Raic 73 und Baday ihre Demission, und wurden seitens des neuen Banus mit der Leitung der betreffenden Sektionen der Banalrat. Dr. Jak¬ sic und die Sektionsräte Smodic und Soretic provisorisch betraut. Sechs Ober¬ gespäne folgten dem Beispiele der zurückgetre¬ tenen Sektionschefs. Der kroatische Landtag wurde für den 11. Juli einberufen und noch vor seinem Zusammentritte vertagt. Die aus Budapest zurückkehrenden kroatischen Delegier¬ ten waren in Agram der Gegenstand leiden¬ schaftlicher Ovationen, während der neue Banus im Wege öffentlicher und gesellschaftlicher De¬ monstrationen keinen Augenblick darüber in Zweifel gelassen wurde, wie die Bevölkerung Agrams die Annahme der Banuswürde durch ihn beurteile. Um für die Folge die Möglichkeit solcher Vor¬ des gänge, wie sie sich aus Anlaß der Beratung Gesetzentwurfes über die Dienstpragmatik der Eisenbahnbeamten im ungarischen Abgeordneten¬ hause ereigneten, zu verhindern, trat Handels¬ minister Kossuth an die Unabhängigkeitspartei mit dem Vorschlage der Aenderung der Ge¬ schäftsordnung heran, mußte aber angesichts der energischen und stürmischen Opposition, der er hier begegnete, seinen Vorschlag sofort wieder zurückziehen. Es ist jedenfalls eine seltsame Fügung dee Schicksals, daß die Koalitionsregierung als die Repräsentantin einer Parteivereinigung, welche das der Wehrmacht der Monarchie Gefahr brin¬ gende Verlangen nach Einführung der ungari¬ schen Kommandosprache, welche die wirtschaftliche und wohl auch politische Loslösung des Landes der St. Stefanskrone von der Gesamtmonarchic auf ihr Programm geschrieben, welche die Mini¬ sterien Tisza und Fejervary mit allen Mittel der Obstruktion, ja mit weit ärgeren Mitteln bekämpft hat, nunmehr an sich selbst empfinden muß, was ein solches oder ähnliches Verlangen, ein solches oder ähnliches Vorgehen einer ziel bewußten Opposition bedeutet. Es wirkt beinahe tragikomisch, wenn die Regierung der Koalition es erleben muß, daß die kroatische Delegation das seinerzeitige Vorgehen der Koalitionsparteien wenn auch in gemilderten und zivilisierteren Formen sich zu eigen macht; wenn sie sieht, das diese Delegation, wie die Koalition die magya¬ rische Kommandosprache in der Armee, die kroa¬ tische Amtssprache bei den Staatsbahnen begehrt,
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