Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

66 Am 5. September wurde die älteste Tochter des Erzherzogs Friedrich und der Erzherzogin Isabella, Prinzessin Maria Anna, Ge¬ mahlin des Prinzen Elias von Bourbon¬ Parma, von einem Mädchen glücklich entbun¬ den, welches in der Taufe den Namen Ma¬ rietta erhielt. Prinzessin Maria Anna von Parma ist seit 25. Mai 1903 mit dem Prinzen Elias von Parma vermählt. — Am 22. Sep¬ tember wurde Erzherzogin Maria Chri¬ stine, die Gattin des Erzherzogs Peter Ferdinand, von einer Tochter entbunden, welche in der Taufe die Namen Rosa, Maria, Antonia, Roberta Josefa, Anna, Walburga, Carmera, Ignazia, Rita da Cascia erhielt. Am 1. November starb nach langem, schweren Siechtum Erzherzog Otto. Er war der am 21. April 1865 in Graz geborene, zweitälteste Sohn des Erzherzogs Karl Ludwig aus dessen zweiter Ehe mit der Prinzessin Annun¬ ziata von Bourbon=Sizilien. Am 2. Oktober 1886 hatte sich Erzherzog Otto mit Maria Josefa, Prinzessin von Sachsen, der Schwester des gegenwärtigen Königs von Sachsen, vermählt, welcher Ehe zwei Söhne, Erzherzog Karl Franz Josef, geboren am 17. August 1887, und Erzherzog Maxi¬ milian Eugen Ludwig, geboren am 13. April 1895, entsprossen sind. Am 12. August fand im Schlosse des Herzogs von Parma in Schwarzau am Steinfelde die Trauung der vierten Tochter des Herzogs Robert von Parma, Beatrix, mit dem Grafen Pietro Lucchesi=Palli, dem jüngsten Sohne des Herzogs Della Grazia, statt. Aus der langen Reihe fürstlicher Besuche in Oesterreich in der Berichtsperiode seien hier er¬ wähnt: die Besuche der Exkaiserin Eugenie von Frankreich, der Könige von England, Sachsen und Griechenland, der Königin Olga von Grie¬ chenland, der Königin=Witwe Carola von Sachsen, des Khedive von Aegypten Abbas II. Hilmi Pascha, des Maharadscha von Burdwan, des Prinzregenten Luitpold von Bayern, des Prinzen Andreas von Griechenland samt Fa¬ milie, der Prinzessin Helene von Griechenland und des Fürsten Nikolaus von Montenegro. Die auswärtige Politik Oesterreichs bewegte sich in der Berichtsperiode wieder in den gewohn¬ ten Bahnen. Der Dreibund bildete nach wie vor eine der festesten Grundsäulen des europäischen Friedens. Der durch das Bestreben Serbiens. im Wege des Abschlusses einer Zollunion mit Bulgarien und später durch ein ganz eigenartiges Vorgehen in der Frage der Vergebung der in Aussicht genommenen Kanonenbestellungen, die handelspolitischen Interessen Oesterreich=Ungarns zu schädigen, herbeigeführte Konflikt mit diesem Staate war auch am Schlusse unserer dies¬ maligen Berichtsperiode noch nicht geschlichtet Die Schwierigkeiten aber, welche aus diesem Konflikte dem am Ruder befindlichen Kabinett Pasic selbst wiederholt erwachsen sind, scheinen nach allen Anzeichen dasselbe in neuerer Zeit denn doch veranlaßt zu haben, endlich ernstlich nach einem für beide Teile akzeptablen modus vivendi zu suchen, ohne dessen Erzielung schlie߬ lich wohl die schweren wirtschaftlichen Folgen welche aus dem Konflikte mit dem großen Nach¬ barreiche dem kleinen und in seinem Viehexport wesentlich auf unsere Monarchie angewiesenen Serbien bereits erwachsen sind und noch er¬ wachsen werden, den Sturz jenes Kabinetts herbeiführen müßten. Das Verhältnis zwischen den beiden Teilen zwischen unserer dualistischen Monarchie Zis= und Transleithanien— ist noch immer nicht geklärt. Die ungarischen Aspirationen, die unentwegte Forderung nach der magyarischen Kommandosprache, deren Erfüllung die Einheit¬ lichkeit und Schlagfertigkeit der Armee und damit die Großmachtstellung unserer Monarchie schwer gefährden könnte, das unklare Verhältnis zwischen den Machtansprüchen Transleithaniens und dessen Leistungen für die gemeinsamen Auslagen und so manches andere Moment erschweren die Situation der beiden Reichshälften. Die Ueberzeugung, daß sich die ver¬ schiedentlichen Aspirationen Ungarns mit den vitalsten Interessen Oesterreich=Ungarns nicht vereinbaren lassen, hat auch zu einem Wechsel in der Person der Leiter zweier der wichtigsten gemeinsamen Ministerien geführt des Ministeriums des Aeußern und des Reichs¬ kriegsministeriums. Am 21. Oktober 1906 hat der Minister des kaiserlichen Hauses und des Aeußern, Graf Agenor Goluchowski, dem Kaiser sein Portefeuille zur Verfügung ge¬ stellt. Die Demission wurde angenommen und zum Nachfolger Goluchowskis der bisherige öster¬ reichische Botschafter in St. Petersburg Alois

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