Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

64 deutsche Offiziere als Musikanten in niskasten, umsonst — da, horch, da er¬ Dörfern und Städten für Geld gespielt. klangen die Töne einer Violine und, wunderbar, die schöne Melodie des Jetzt standen sie vor dem Komman¬ niederländischen Gebetes in den stillen danten, mit bekümmerten Mienen, denn Abend hinein — jetzt wußte er's auf ein¬ ie fürchteten für ihre militärische Karriere. Sie berichteten auf seine Auf¬ mal, das war ja der eine der beiden „Vagabunden“, wie er sie damals ge¬ forderung alles wahrheitsgetreu, bis in nannt, die vor fast zwei Jahren an der¬ die kleinsten Details. Dem Kommandan¬ ten selben Stelle gestanden und zu seinem zuckte es oft wie verhaltenes Lachen Aerger gespielt. Er hatte nicht Zeit, sich um die Mundwinkel, besonders bei der längeren Betrachtungen hinzugeben, die Erzählung von der Frack=Affäre. Zum Gräfin erschien mit der Komtesse in der Schluß baten die beiden Offiziere um Tür; er überreichte die Karte und die gelinde Strafe, der Kommandant möge Gräfin, die, durch das Spiel, ebenso wie doch an höchster Stelle ein gutes Wort für ihre Tochter, angelockt, las laut die Karte: sie einlegen. Er versprach es ihnen, rech¬ Wolf Zillich, Oberleutnant des 2. Garde¬ neten die beiden doch zu den tüchtigsten regiments zu Fuß. Die Damen traten Offizieren des Regiments, und mochte auf die Rampe des Schlosses. er sie, mit ihrem frischen, heiteren Wesen Beim Anblick Zillichs sagte die Gräfin: besonders gern. „Wilhelmje, ich sagte es dir ja damals, Die Sache wurde dem obersten Kriegs¬ die beiden sind keine gewöhnlichen Musi¬ herrn unterbreitet, die Strafe lautete auf kanten. ein Jahr Festung. Wilhelmje, mit strahlenden Augen und Marr und Zillich atmeten erleichtert hochroten Wangen, sagte leise: „Mein auf, froh traten sie ihre Strafe an, verwunschener Prinz. glücklich, so leicht weggekommen zu sein. Die Damen begrüßten Zillich aufs Das Jahr ging schnell vorüber. Nach¬ liebenswürdigste. Als ihm die Komtesse dem sie in ihre Garnison zurückgekehrt, die Hand reichte, zeigte er ihr das kleine besuchte Zillich seine Mutter und Goldstück das sie ihm damals gegeben, Schwester. Marr begleitete ihn, um sich ihr versichernd, daß er es seit jenem un¬ das Glück seines Lebens, Zillichs vergeßlichen Abend wie seinen höchsten Schwester, die hübsche Annemarie, zu Talisman gehütet. Die Gräfin lud ihn holen. ein, hereinzukommen und bei einem ge¬ Es war im August, gegen Abend, als mütlichen Souper zu drei mußte er er¬ ein junger Mann, in tadellosem Besuchs¬ zählen, wie es gekommen, daß er und sein anzug am Portal des Schlosses S. in Freund damals in solchem Aufzuge durch Holland den Glockenzug in Bewegung Holland reisten. Er tat es in seiner setzte; während er wartete, setzte er seinen rischen, heiteren Weise. Die Damen Violinkasten zur Seite und zog eine lachten herzlich über den losen Streich der Visitenkarte aus der Tasche. Der Kastellan Freunde. öffnete das Tor und warf einen neugieri¬ Zillich wurde aufgefordert, zu bleiben; gen Blick auf den Fremdling, der höflich er blieb und als er nach Ablauf seines fragte, ob die Damen zu sprechen seien. Urlaubes scheiden mußte, schied er als Der Kastellan bejahte und nahm die der glücklichste Bräutigam von der Welt. Karte in Empfang, um sie den Damen Vier Wochen später herrschte reges auf silbernem Tablett zu überreichen, da¬ Leben auf dem Schlosse zu S. Viele bei drehte er sich noch einmal nach dem Gäste waren gekommen aus nah und fern, Herrn um — na, um alles in der Welt, Zillichs Mutter, Schwester und Schwager hatte er dieses Gesicht doch schon ge¬ unter anderen, denn Zillich und die Kom¬ sehen? — Er kramte in seinem Gedächt¬ tesse feierten ihre Hochzeit.

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