58 tück seines Obergesellen vor und erläu¬ terte mit einigen Worten auf Verlangen des Grafen die Schwierigkeit der Tech¬ nik und den Kunstwert einer solchen, bisher noch nicht gesehenen Arbeit. „Ei, das freut mich ja ungemein, daß der junge Mann eine solche Zierde der hei¬ mischen Industrie ist,“ rief der Graf, als der Webermeister geendet, „'s wäre aber noch scharmanter, wenn er dazu ein braver Bürger wäre und das Gesetz befolgte. Nun, wir wollen gleich erfahren ob's bei dem Burschen nur jugendlicher Leicht¬ sinn und Uebermut, oder böser Wille und Rebellion gegen uns gewesen ist. Er sagte in seiner Erzählung, lieber Meister, wenn ich recht gehört habe, daß mein Förster ihn durch seine höhnischen Reden erst zur Tat gereizt habe, seid Ihr dessen gewiß?“ „Dafür kann ich Euer Gnaden viele Zeugen bringen“ antwortete Meister Köhler. „Na, da können wir diesmal vielleicht noch gelinde mit ihm verfahren!“ meinte der Graf nachdenklich; „was sagen Sie dazu, lieber Riegen, wandte er sich an den Major Riegen, seinen unzertrenn¬ lichen Gefährten, „was macht man mit dem Burschen?“ „Meine Meinung, gräfliche Gnaden, versetzte der edle Mann offen, „ist, daß X der Jager dafür zunächst Strafe ver¬ dient, wenn er, wie der ehrenwerte Meister hier bezeugt, den Burschen zuerst zur Tat durch höhnische Worte gereizt hat!“ „Ganz meine Meinung, lieber Riegen,“ nickte der Graf, „der Förster mag sich sein lahmes Bein als solche anrechnen; aber Strafe muß sein und so wollen wir denn den Burschen dazu verurteilen, daß er unter Seiner Aufsicht, Meister, und in Seinem Hause solange Stuben¬ arrest habe, bis er mir noch ein zweites ungenähtes Hemd fertig stellt. Und dann sehe Er sich für ihn nach einem passen¬ den Mädchen um, denn es ist gut für solche Brauseköpfe, bald unters eheliche Joch zu kommen.“ 9 „O, Euer Gnaden, dafür hat der Obergesell' schon selbst gesorgt,“ platzte der Alte heraus, „über acht Wochen sollte er mit Dortchen Wambach zusammen¬ getan werden!“ „Scharmant, scharmant!“ lachte der Graf, „dann wird er schon die jugend¬ lichen Bockstreiche lassen; Er kann den Burschen gleich mitnehmen, wenn Er will. Lieber Riegen, Sie ordnen wohl das Erforderliche an!“ Damit war der Meister, der sich vergeblich bemühte einen Dank in passende Worte zu kleiden, entlassen, und die Zunftgenossen, die den bald erscheinenden Hans in ihre Mitte nahmen, verließen unter stürmischen Hurrah= und Vivatrufen das Schloß. Hans mußte auf Befehl des Grafen seine Arbeit, als sie fertig war, selbst ins Schloß nach Hagenburg bringen, und wie sehr der leutselige Landesherr an dem kunstreichen Weber Gesallen ge¬ funden, zeigte sich darin, daß er selbst am Polterabend des jungen Webermeisters erschien und die glückliche Braut zum ersten Tanze führte. Hans Bühmann übernahm nach dem Tode seines Schwie¬ gervaters dessen Geschäft und lebte in tillem Glück an der Seite seiner treff¬ lichen Gattin, als der erste Webermeister des Landes geachtet und geehrt, bis zum Jahre 1773, wo ihn der Tod im besten Mannesalter abrief. Sein letzter Wille bestimmte, daß das ungenähte Hemd, welches den Grundstein zu seinem Glück gebildet hatte, in seiner Familie bleiben sollte, und noch heute ist es als kostbare Reliquie im Besitz seiner Urenkel in Steinhude. Das zweite Hemd aber, welches der Graf erhielt, wanderte mit diesem, da er als Oberseldherr der eng¬ lisch=portugiesischen Armee im Jahre 1762 nach Portugal ging. Dort ist es denn auch als ein hervorragendes Zeug¬ nis deutschen Gewerbfleißes geblieben und noch heute ist in Lissabon im Nationalmuseum das Meisterstück des Steinhuder Webergesellen zu sehen. N 2
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