Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

50 haben; früher aber braucht er nicht wie¬ derzukommen. Nichts für ungut, aber da¬ mit basta!“ Und das war ein Glück für mich, denn in den drei Jahren hab' ich gelernt, wie sauer das Geldverdienen und wie notwendig Geld und Gut zum Leben ist. Als dann das große Wetter kam, als die Mühle niederbrannte und uns der Vater von seinem Reichtum nichts hinterlassen konnte, da hab' ich auf den Knien Gott gedankt, daß ich die gute Lehr' bekommen und mit ihrer Hilfe mir selbst Hab und Gut erworben hatte! Nein, nein, Minchen, Geld allein macht zwei junge Eheleute nicht glücklich, Liebe und Bravheit gehören auch dazu, aber bei trockenem Brot hört die Zufrieden¬ heit gar schnell auf. „Heller innen (n dem) Kasten, lätt (läßt) keenen fasten! Dabei bleib ich nun einmal, Alte! Damit stand Meister Hangörg auf, ließ sich von Dortchen, die eben bei den letzten Worten des Vaters wieder eingetreten war, den langen blauen Mantel mit dem großen Doppelkragen umhängen, stülpte den Hut auf und schritt mit einem freundlichen: „Gute Nacht, ich gehe noch ein Stündchen ins Lamm!“ zur Türe hinaus. Eine Weile hörte man in der einfachen Stube, welche die große Oellampe von schimmerndem Messing nur spärlich er¬ leuchtete, nur das eintönige Schnurren der Spinnräder; der Frau Meisterin ging das Gespräch mit ihrem Gatten noch immer durch den Sinn, und Schön¬ Dortchen ließ schwermütig den Kopf hängen; sie hatte wohl etwas auf dem Herzen, was sie gern der Mutter gesagt hätte, aber jedesmal, wenn sie einen An¬ so satz dazu nahm, kam ihr deren Gesicht wenig freundlich vor, daß sie nicht zu sprechen wagte, die Augen niederschlug und weiter spann „Dortchen, unterbrach endlich Frau Wilhelmine die Stille, „die Spinn¬ stubenabende sind wohl nun zu Ende?“ „Wir wollten noch einige Wochen fortspinnen, Mutter,“ versetzte das junge Mädchen zögernd, „die Abende sind noch so lang, und wir haben auch so spät da¬ mit begonnen. „Nun, es wäre mir lieb, wenn es bald aufhörte,“ meinte die Mutter, „der Vater hat's auch nicht gern, wenn du so viel mit den jungen Burschen zusammen¬ kommst, du bist noch zu jung dazu Dortchen! Die Jungfrau errötete leicht. „Das ist nur in der letzten Zeit geschehen,“ ant¬ wortete sie dann, „daß einige hingekom¬ men sind, um uns nach Hause zu bringen es sind nur Thormanns Fritz, Bühmanns „ Hans und „Na ja, das ist's gerade, was der Vater nicht leiden mag,“ unterbrach die ge¬ strenge Bürgersfrau die Tochter, „du sollst nicht so viel mit dem Obergesellen dem Hans, zusammenlaufen, es wird allerlei darüber geschwatzt, und so ein junges Ding, wie du bist, brauchen die Basen noch nicht mit einem Manne zu¬ sammenzusehen. Du kannst hier grad ebensogut spinnen wie anderswo, und s gibt keine Nachred'!“ Dortchen schlug beschämt die Augen nieder und schwieg. Sie hätte es der Mutter so gern anvertraut, was der Hans ihr neulich abends beim Nachhauseweg von der Spinnstube gesagt, daß er zur Hochzeit seiner Meisterstochter als Brautbursch eingeladen sei und sie, Dort¬ chen, zur Kirche und zum Tanz führen möchte, wenn sie und ihre Eltern es er¬ laubten. Als sie aber durch die Mutter von der wenig freundlichen Gesinnung ihres Vaters gegen Hans gehört hatte, wagte sie gar nicht mehr, darum zu bitten. Als sich Mutter und Tochter ge¬ trennt hatten, lag Dortchen noch lange halb sinnend, halb träumend in ihrem Kämmerchen und begriff es nicht, daß Vater und Mutter nicht wie sie dachten und nicht wie sie den schönen Hans denn daß er der flotteste Bursch von ganz Steinhude war, das mußte ihm sein Feind nachsagen — lieb hatten; das arme Dortchen wußte es eben noch nicht aus Erfahrung, daß gar viele Liebende sich gleich ihr zu beklagen haben, und daf wohl kaum einer Erdentochter Liebster ihren Eltern ganz und vollkommen ge¬ fallen hat. Sie schlief endlich ein, und liebliche Träume gaukelten ihr vor, daß

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