Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

Rehbockes überrascht . . . die Grünen waren ihm schon längst auf der Spur, sagt man, und da . . . es hat einen Kampf gegeben ... der alte Oberförster soll schwer verwundet sein. .. Bartels haben sie dann fest gemacht!“ Ein weher Schrei war die Antwort des Weibes. Ihre dunklen Augen schie¬ neu aus den Höhlen treten zu wollen. Sie tastete nach einem Halt, dann aber sank sie wie gebrochen in die sie auf¬ fangenden Arme ihres Mannes. „Ich wußte es!“ tröstete er sie leise „Mich hat's auch angegriffen. Ich habe nie etwas auf das Gemunkel gegeben ich konnt's nicht glauben. Und nun * * * ist's doch wahr! Er hat's so heimlich ge¬ halten. Jetzt gehen sie ihm an den Kragen.“ Er schob seinen Arm um den Leib des Weibes und führte es sacht in das Haus. Nacht war über das Tal hereinge¬ brochen, aus dem die Dorfhütten sich zu dem Hochwald droben gruppenweise hin¬ anzogen. Annemaries Mann war zum Wirtshaus gegangen, das sich heute an allen Tischen besetzt zeigte. Das Ereig¬ nis des Tages hatte alle Gemüter er¬ griffen. Der wilde Bartels war ein Wil¬ derer, er, der geschickteste Glasbläser des Ortes! Im Laufe des Nachmittags hatte sich dann auch noch die Kunde verbreitet daß der Oberförster der Schußwunde er¬ legen sei, die ihm Bartels in seiner Gegenwehr beigebracht hatte. Der Alte war nie beliebt gewesen. Jetzt aber lag es doch wie schwerer Schatten auf allen Gemütern. Die Wucht des getanen Un¬ rechts lastete auf jedem. Lange Zucht¬ hausstrafe würde nun die Folge für den Verbrecher sein. Das hatte Annemaries Mann ihr be¬ reits heute Morgen gesagt. Nun war sie allein im Hause. Hof und Haus waren verschlossen. Sie hatte kein Licht ange¬ brannt. Sie hockte in der Wohnstube am Fenster und starrte mit tränenschweren Augen hinaus in die Finsternis, die nur mühsam auf eine kurze Strecke in der Berggasse durch eine schwache Petroleum¬ lampe belichtet wurde. Ihre Seele war 47 der müde geworden ob allen Klagens ge¬ Selbstvorwürfe, der Angst um der fangenen, geliebten Mann Da störte sie der kurze Anschlag ihris glitt ein Hofhundes auf. Gleich darau Schatten unter ihrem Fenster hin. Das Tier im Hof winselte freudig, dann ein Geräusch, wie von einem niedersprin¬ genden Menschen. Das Blut schien ihr still zu stehen. Dann vernahm sie leichten Druck auf der Türklinke vom Hofe her. Sie zündete rasch Licht an und trat in den Flur. „Bartels?“ Sie hauchte es nur. „Ja! Mach' auf! Schnell! Die Mi¬ nuten sind gezählt!“ Im nächsten Augenblick standen sich beide gegenüber. Sie hatte ihn bei der Hand gefaßt und zog ihn vollends in die Stube. Langsam entzog er ihr jetzt die Hand. „Es ist Blut daran ... diesmal Men¬ schenblut, Annemarie!“ Ihre Augenlider hoben sich schwer. Mit einem unbeschreiblichen Ausdruck sah sie den Mann an. Dann setzte sie leise hinzu: ∆ „Ich weiß es, Bartels! □ „Ich bin vom Geschick gezeichnet und alles ist für mich zu Ende! Doch noch einmal mußte ich dich sehen ... ehe ich die Flucht ... die große Flucht antrete „ auf der mich kein Hascher mehr einholen wird.“ Er lächelte müde und traurig „Hör' mich an, Annemarie! Was ge¬ scheh'n ist, das ist nicht mehr ungeschehen zu machen. Ich hab mich meiner Haut gewehrt, und so ist es gekommen. Viel¬ N leicht war's sogar Bestimmung. Aber ich kann nicht hinter Zuchthausmauern ver¬ enden. In der Freiheit muß ich dies Leben hingeben, das mir so viel schuldig blieb, das nur in letzter Stunde mir verriet, daß ein Weib einst meiner in Sehnsucht gewartet hat. Annemarie! Ich bin gewaltsam aus der Haft ausge¬ brochen, da sie mich morgen früh nach der Hauptstadt bringen wollen. Abschied will ich noch von dir nehmen, ehe ich meine Reise antrete.“ „Willst du wieder nach drüben?

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