34 Sylter Bevölkerung durch das tückische Wattenmeer nach Kiel zu tragen. Zugleich kündigten die tapferen Sylter der dänischen Regierung den Gehorsam auf, indem sie den ihnen aufgedrungenen Pastor Meier in Keitum ersuchten, nicht länger das Kirchengebet für den König von Dänemark zu sprechen. Der dänisch gesinnte Geistliche setzte deshalb den Gottesdienst ganz aus und verbot dem Küster, am nächsten Sonntag die Kirche zu öffnen. Diese Maßregel mußte umso¬ mehr die Insulaner erbittern, da gerade an diesem Tage die Konfirmation der Kinder stattfinden und das heilige Abendmahl ausgeteilt werden sollte. Eine solche Geringschätzung ihres Seelsorgers wollte die Gemeinde nicht dulden. Es fand darum in dem landschaftlichen Hause zu Keitum eine allgemeine Volks¬ versammlung statt, worin der Beschluß gefaßt wurde, zunächst den pflichtver¬ gessenen Pastor Meier seines Amtes zu entsetzen und zum 3. März 1864 eine neue Versammlung zu berufen, welche die weiteren Schritte beraten sollte, um die Insel vom dänischen Joch zu befreien. Die Folgen ließen nicht auf sich warten, da die Kunde dieser Maßregeln zu den — Ohren des gefurchteten Kapitän Hammer drang, der unterdessen zum Komman¬ danten der schleswigschen Westsee=Inseln ernannt worden war. Derselbe landete mit zwanzig Matrosen auf Sylt und be¬ gab sich sogleich nach Keitum, wo er die Häuser der angesehensten Einwohner überfallen und die Besitzer gefangen nehmen ließ. Zugleich forderte er von den übrigen unter Androhung harter Strafen, daß sie eine von ihm aufgesetzte Schrift unterzeichnen sollten, worin sie dem König von Dänemark Gehorsam und Treue gelobten und sich verpflichteten, Ruhe und Ordnung auf der Insel zu er¬ halten. Die Nachricht dieser Ereignisse ver¬ breitete sich schnell wie ein Blitz über die ganze Insel und rief eine allgemeine Ent¬ rüstung hervor. Von allen Seiten eilte das Volk nach Keitum, um womöglich die Abfuhrung der Gefangenen zu hindern Plötzlich sah sich der Kapitän Hammer von einer empörten Menschenmenge um¬ ringt und eingeschlossen, welche mit toben¬ dem Geschrei die Freilassung der Gefan¬ genen verlangte. Der dänische Offizier forderte das empörte Volk auf, sich zu entfernen, indem er drohte, sonst auf das¬ selbe schießen zu lassen. Da die Menge nicht weichen wollte und nur noch lauter und dringender ihre Forderungen wieder¬ holte, gab er seinen Leuten den Befehl, die Gewehre zu laden und anzulegen. Niemand ließ sich dadurch zurückschrecken; die Wut des Volkes wurde nur dadurch gesteigert und ein Unglück schien unver¬ meidlich. Einzelne kühne Männer, wie der verwegene Schmied Fritz Sobiello aus Keitum und der Kapitän Thomas Lassen aus Westerland riefen trotzig: „Feuer! je Satans, as je Courage heft!“ (Feuer! ihr Teufel, wenn ihr Courage habt!) Schon öffnete Hammer den Mund, um das verhängnisvolle Wort zu spre¬ chen, als der würdige und allgemein ge¬ achtete Ratmann Teide Michel Decker aus Westerland vortrat, seine Brust ent¬ blößte und nochmals den Kapitän Hammer bat, die Gefangenen freizugeben, um noch größeres Unheil zu vermeiden. ∆ „Ich bin ein alter Mann“, sagte der wackere Greis, „und nicht viel mehr nutz, als für mein Vaterland zu sterben. Den¬ noch flehe ich Sie an, kein unschuldiges Blut zu vergießen. Hier stehen zwei¬ hundert Männer, die den Tod so wenig wie ich fürchten, bereit, bei dem ersten Schuß sich auf Ihr kleines Häuflein zu türzen und dasselbe zu vernichten. Wir haben zwar keine anderen Waffen als unsere Hände, aber die Uebermacht und unsere gerechte Sache sind stark genug, um Sie und Ihre Leute zu erdrücken. Ich stehe Ihnen dafür, daß kein Däne dann lebend die Insel verlassen wird mag daraus entstehen, was da wolle. Ihr Blut und die Verantwortung falle auf Ihr Haupt.“ Die feierliche Sprache und die würdige Haltung des alten verehrten Ratmannes einen Decker machten augenscheinlich tiefen Eindruck auf den dänischen Offi¬ zier, der weder die Wahrheit dieser
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