28 „Wollen Sie mir — wenn ich viel¬ leicht auch dazu eingeladen werden sollte wollen Sie mir einen einzigen Tanz geben, Fräulein Mengen?“ Sie zögerte einen Augenblick; aber es lag etwas so Unwiderstehliches in seinem bittenden Auge und hübschen Gesicht, in der weichen klangvollen Stimme und fast schüchternen Manier mit der er diese Worte sprach, daß jedes Bedenken davon besiegt wurde und sie ihm seinen Wunsch zusagte, sich wahrscheinlich schon im nächsten Augenblick wieder dafür schel¬ tend. Das tat er übrigens auch, als ihm erst zum Bewußtsein kam, daß er sich eigentlich nur wünschen sollte, mit Alice zu tanzen Bei seiner Rückkehr ins Wirtshaus fand er Briefe von seinem Vater und Herrn Forster vor; beide ziemlich des¬ selben Inhalts. Sie hatten einander ge¬ schrieben und abgemacht, daß Graf Arn¬ stein am nächsten Tage in Löwenfeld ankommen wolle und sein Sohn ihn dort treffen würde. Der Graf versprach zu¬ gleich, alles Nötige mit Herrn Forster zu besprechen, um seinem Sohne so viele Fatalitäten als nur irgend möglich zu ersparen. Durch die Wirtin hatte der Ritt¬ meister viel von der beabsichtigten Ge¬ burtstagsfeier der Erbin gehört; die ganze Gegend, Reich und Arm, sollte da¬ bei auf das Glänzendste bewirtet wer¬ den. Was ihn selbst anbelangt, so be¬ schloß er, so spät als möglich erst aufs Schloß zu gehen erst wenn die Zeit da wäre, sich zum Balle umzuziehen, dem Balle, der eine schrecklich beängstigende Aussicht für ihn sein würde, wenn er nicht die Hoffnung hätte, die süßeste Rose der Welt dort wiederzusehen. Aber seinem Vater wollte er wenigstens sagen, wie er sie liebte und daß es ihm fast ein Wahnsinn erscheine, mit einem solchen Gefühl im Herzen eine andere zu hei¬ raten. Aber ach! das Andenken seiner toten Mutter! Das Ehrenwort — die unbezahlte, die unbezahlbare Schuld! In einem Briefe an seinen Vater sprach er sich denn auch wirklich alles von der Seele und erwartete seine Zukunft so ge¬ duldig wie möglich. Der Tag, an dem Fräulein Forster majorenn wurde, war da; es war ein goldiger Maitag, voll Vogelgezwitscher und Blütenduft, dem die ganze Erde entgegenzujubeln schien wie einem würzi¬ gen Traum. Das kleine Gasthaus war fast leer, denn alles war bereits zu den Festlichkeiten geeilt. Nur ein trübseliger Stallbursche war dageblieben, dem Ritt¬ meister aufzuwarten, der mit auf dem Rücken gekreuzten Händen schon den ganzen Tag im Zimmer auf und nieder schritt, nun aber, nach der Uhr sehend, seine Reisetasche nach dem Schlosse vor¬ aussandte und sich anschickte, derselben nachzugehen. Als er das Schloß erreichte wurde ihm gesagt, daß das Fräulein augenblicklich in dem für ihre Untergebe¬ nen veranstalteten Festsaale weile, um die Vergnügungen derselben selbst zu leiten, und so ließ er sich auf das für ihn bereit gehaltene Zimmer führen und seinem Vater seine Ankunft melden. Der alte Graf kam augenblicklich, war aber weniger denn je über seines Freundes Ansichten oder Absichten im klaren und teilte seinem Sohne in Kürze den In¬ halt ihrer Unterhandlungen mit. „Als wir uns trafen,“ sagte er, „war Forster so steif, als hätten wir uns nie gesehen. Er nannte mich ein über das andere Mal „Herr Graf“, als ob wir bei einem Festdiner wären, so feierlich; ich stürzte mich aber natürlich sogleich kopfüber in unsere Angelegenheit, bat ihn um den alten Freundesnamen und gab ihm den Grund an, weßwegen unsere einstige Verbindung gelöst worden war, jenes beschämende Schuldbewußtsein, das unser ganzes Unglück ausmachen soll mein armer Junge. Ich sagte ihm weiter daß es der letzte Wunsch deiner sterben¬ den Mutter gewesen wäre, daß du seine Tochter heiratest und daß du hier wärest um ihr vorgestellt zu werden, denn nach deinem so sehr verdrießlichen Brief über dein Interesse an der Pfarrerstochter, wage ich, offen gestanden, nicht mehr zu versichern, daß du bereit seist —“
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