24 Leben noch keine so große Erleichterung empfunden zu haben, wie in diesem Augenblick. Sehr zur rechten Zeit läutete die Früh¬ stücksglocke im Speisesaal, und der wohl¬ besetzte Tisch sowie die exakte, durchaus nicht prunkende Bedienung gaben dem Grafen eine sehr günstige Meinung von dem Geschmacke seines zukünftigen Schwiegervaters. So lange die Diener anwesend waren, floß die Unterhaltung leicht und zwanglos, kaum aber waren Schwiegervater und Schwiegersohn mit¬ einander allein, geriet sie ins Stocken. Jeder erwartete vom andern irgend eine Fröffnung über das zunächstliegende und keiner konnte sich dazu entschließen. Herr Forster machte noch die nächste An¬ spielung darauf, als er fragte, wann er hoffen dürfte, den Grafen wieder beisich zu sehen, wo er eigentlich logiere, wie ihm die Gegend hier gefalle und eine vage Einladung in sein Haus aussprach. Der Rittmeister versprach, am nächsten Tage wiederzukommen und murmelte etwas von der Hoffnung auf das Ver¬ gnügen, Fräulein Forster dann seine Aufwartung machen zu dürfen, zu welcher Aeußerung der alte Herr eigentümlich lächelte, ein Lächeln, das den Grafen bis zur Stirn erröten ließ und schon aus diesem Grunde in nichts weniger wie an¬ genehme Stimmung versetzte. „Ich werde es meiner Tochter sagen, daß Sie den Wunsch haben, ihr vorge¬ stellt zu werden, und hoffe, daß Sie die¬ selbe morgen treffen werden“ sagte der Vater herzlicher; „da ich übrigens von ge¬ Ihrem Vater so lange Jahre nichts hört habe, muß ich mich natürlich als Ihnen fremd fühlen. Eduard Arnstein begriff jetzt, daß es gekränkter Stolz war, der zum Teil aus dem reservierten Wesen Forsters gegen hn sprach, aber er fand nicht den Mut, diesem zu sagen, daß er dies auf das be¬ schämende Gefühl, so lange in seiner Schuld zu stehen, zurückführen möchte, denn er fühlte, daß er mit dieser An¬ deutung das Gebiet beträte, dem er so¬ wohl wie Herr Forster mit soviel Aengst¬ lichkeit aus dem Wege gegangen waren. Nachdem er mit vieler Not noch eine weitere um nichts interessante Stunde bei seinem Schwiegervater ausgehalten hatte, nahm er Abschied. Auf dem Rück¬ wege rekapitulierte er ihre inhaltsschwere erste Unterredung noch einmal, dann sagte er sich, daß ihm Herr Forster trotz¬ dessen gefiele, daß ihm der prächtige Löwenfelder Besitz nicht minder gefiele, daß aber — ach, wenn nur die eine Be¬ — dingung nicht gewesen wäre! „Hei¬ raten muß ich sie, das ist leider Ehren¬ ache, aber daß sie mir nicht gefällt, das weiß ich“ seufzte er auf, dann rückte er den Hut tief in die Stirn, begann eine Melodie zu trällern und schritt rascher vorwärts. Plötzlich blieb er stehen, überlegte einen Augenblick, dann entschloß er sich, ins Pfarrhaus zu gehen, um sich nach des Pastors Befinden zu erkundigen. Das Dienstmädchen von gestern erschien in der Tür und führte ihn wieder nach dem kleinen Studierzimmer. Wenige Augen¬ blicke später erschien die junge Dame frisch und rosig wie eine Heckenrose. Er entschuldigte sich, sie zu stören, er hätte aber gewünscht, ihr noch einmal für ihre gestrige Freundlichkeit zu danken, und dabei zu erfahren, wie es dem Herrn Pastor heute ginge. Sie antwortete, es ginge glücklicherweise heute besser und sprach die Hoffnung aus daß ihm sein gestriger Unfall keine Erkältung zuge¬ zogen habe. Wie sie dies ganz ernsthaft sagte, blitzte ein Strahl anmutiger Schelmerei in ihren Augen auf, so daß er unwill¬ kürlich lachen mußte, aber sogleich um Erlaubnis bat, den Kahn wieder be¬ nützen zu dürfen. „Wenn Pluto es erlaubt,“ lachte sie nun wirklich mit goldener Stimme auf, „das ist seine Domäne!“ Der junge Mann fragte sich über¬ rascht, wo das Pfarrtöchterlein vom Lande diese feine Form jeder Bewegung und jedes Wortes her haben möge, die er an ihr bewundern mußte, diese Sicher¬ heit des Auftretens, diese goldige und
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