Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

ich will aber in der Tat seine Freund¬ lichkeit nicht länger in Anspruch nehmen, sondern lieber so schnell wie möglich heim¬ kehren; die Brücke werde ich schon finden. Ich bin Ihnen unendlich verbunden. Da¬ mit nahm Graf Arnstein seinen Hut ab, das junge Mädchen verbeugte sich leicht und beide gingen ihrer Wege. Am folgenden Tage war der Ritt¬ meister ziemlich früh schon auf dem Wege, den gestern so interessant verhin¬ derten Ausflug nach Löwenfeld, der Be¬ sitzung seines unbekannten Schwieger¬ vaters, nachzuholen. Es war ein schöner, herrlich gelegener Besitz. Wie er durch den Park schritt, sah sich das Schloß, hinter dessen alten Mauern seine Zukunft lag, deren er plötzlich mit einem geheimen Grauen gedachte, an, wie ein uralter Herrensitz, auf dem einst grausame Ritter und furchtbare Frauen wohnten, weshalb es jetzt verzaubert sei. Und wie verzaubert ah es aus, wie in alter Wunderpracht tehen geblieben zwischen diesen tausend Gräsern und Waldblumen mit seinen Türmen und Erkern ein mächtiger Ueberrest der glanzvollsten Ritterzeit, wie ich nur wenige solch alter Schlösser noch finden. — „Die Erbin dieser Herrlich¬ keiten hätte wirklich nicht nötig, sich um einen Namen zu verkaufen“, sagte er bitter, weil er ganz urplötzlich des Pfarr¬ töchterleins gedachte, von dem er sich von seiner gesprächigen Frau Wirtin des län¬ geren und breiteren hatte erzählen lassen. Er hatte erfahren, daß sie Rosa hieß, daß des Pfarrers Name Mengen wäre und ihn alle Väter des Kirchspiels um eine so blitzsaubere, hübsche Tochter be¬ neideten. Aber da stand er schon vor dem Eingangsportal des Schlosses und mit verdrießlicher Ueberraschung sah er sich einem Diener gegenüber, dessen Gestalt diese Gedanken unterbrach und ihn un¬ willkürlich von neuem an sein Vorhaben erinnerte. Nachdem er seine Karte hin¬ aufgeschickt hatte, wurde er in ein Zim¬ mer geführt, dessen Einrichtung durch den mit fast gesuchter Einfachheit verbun¬ denen Komfort auf den jungen Mann einen äußerst angenehmen Eindruck 23 machte. Nach kurzer Zeit erschien Herr Forster. Bei der Begrüßung faßten beide einander scharf ins Auge und die Pause der ersten Augenblicke bewies, daß keiner von ihnen die Unbefangenheit besaß, die ge¬ für diese Situation so sehr angenehm fein wesen wäre. Herr Forster war eine und klug aussehende Männererscheinung in der Mitte der Fünfziger= oder Sech¬ zigerjahre; Graf Arnstein ein offener eleganter, wohlgebildeter und hübscher junger Mann von netto siebenund¬ zwanzig. Es war nicht gut anders mög¬ lich, als daß diese beiden Gefallen an¬ einander fanden, und doch war der gegen¬ und seitige Verkehr beängstigend, steif gemessen. □ ge¬ „Ihr Herr Vater hatte an mich Be¬ chrieben und ich freue mich sehr, die Herr kanntschaft mit Ihnen zu erneuern vor Graf; seit den achtzehn Jahren, denen ich Sie zuletzt sah, habe ich nichts wieder von den Ihrigen gehört.“ „So lange unsere erste Bekanntschaft her sein mag,“ sagte der junge Mann offenherzig, „hatte ich den Jugendfreund meines Vaters doch nicht vergessen. Ich entsinne mich noch meiner Kinderfreude über das Goldstück, das Sie mir damals chenkten“ fügte er mit gewinnendem Lächeln hinzu. Herr Forster sah ihn mit einem raschen Blick an, dann lächelte auch er, und wieder trat eine Pause ein. „Schönes Wetter heute, Herr Graf. „Reizend, geradezu reizend!“ Aber was für ein schönes Besitztum Sie haben, in dieser prächtigen, romantischen Gegend; edenfalls eine gute Fischerei, sollte ich meinen.“ „Ja, der Strom fließt durch den Park. Wollen Sie aber nicht etwas frühstücken? Es tut mir leid daß meine Tochter aus¬ gegangen ist und ich auch gar nicht einmal weiß, wann ich sie wieder zurückerwarten 7 kann „O, das tut mir ja —“ fing der Ritt¬ meister an, aber er war zu ehrlich, das „leid“ hinzuzufügen, denn, sich mit einem Räuspern aus der Affäre ziehend, hatte er das Gefühl dabei, in seinem ganzen

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