18 Gott, wo sind die Zeiten hin! Sein Vater war Gewerbetreibender, es ist richtig, aber reich wie ein Krösus. Eines Großvaters konnte er sich, glaube sich allerdings nicht rühmen. „Wer könnte das in heutiger Zeit!“ warf der Rittmeister lächelnd hin, „habe ich doch Kameraden, die ihren eigenen Vater nicht kennen, und keiner wird die Taktlosigkeit begehen, sie nach ihm zu „ ragen — ah — bah „Ich freue mich über diese Anschau¬ ung von dir“ fuhr Graf Arnstein fort, „denn du bist derjenige, der davon ge¬ wissermaßen berührt werden soll. For¬ ter war übrigens hundertmal mehr wert als ich; wir waren auf der Schule die besten Freunde und wenn ich je in eine Verlegenheit kam, war er imstande, alles aufzuopfern, um mir wieder her¬ auszuhelfen. Später verloren wir uns aus den Augen; ich ging auf die Univer¬ ität, er trat in das Geschäft seines Vaters „ ein und wurde reicher und reicher, wah¬ rend sich meine Verhältnisse im Laufe der Jahre immer mehr derangierten. Na¬ türlich heiratete er eine reiche Erbin, ich „ ( ein Mädchen ohne Vermögen. Deine gute Mutter besaß, wie du weißt, alle nur denkbaren Vorzüge: Schönheit, Bildung, Rang und das beste Gemüt von der Welt, aber — kein Geld; und bald waren wir bis über die Ohren in Schul¬ den geraten. Wir kamen immer tiefer und tiefer hinein und gerade als du neun Jahre alt warst, sah ich keinen Ausweg mehr. Ich war nahe daran, verklagt und inhaftiert zu werden, als die Gnade des Himmels uns den ganz unerwarteten Besuch des Freundes Forster sandte. Er erfuhr durch deine Mutter von der Pein¬ lichkeit unserer augenblicklichen Lage und schoß uns in zartester Weise das Geld vor, welches dazu nötig war, uns von dem Heere unserer Gläubiger zu befreien. Es waren etwa fünfzigtausend Taler. Ich wundere mich nicht daß du da¬ rüber erschrickst, mein Sohn; ich gebe zu eine kolossale Summe. Als ich ihm einen Wechsel darauf gab, warf er ihn ins Feuer und erklärte auf unsere Ver¬ icherung, ihn unter allen Umständen be¬ zahlen zu wollen: „Gut, geben Sie mir Ihren Jungen!“ Als deine Mutter ihn fragend und entsetzt anstarrte, sagte er lachend: „Wir wollen die Schuld durch eine Heirat unserer Kinder ausgleichen. Im Uebermaß ihrer Dankbarkeit für un¬ seren Retter fand deine Mutter diesen Vorschlag vorzüglich, ich stimmte bei, und der Handel wurde abgeschlossen. Du wurdest deinem zukünftigen Schwieger¬ vater vorgestellt, gefielst ihm und er schenkte dir ein Goldstück.“ „Ja, ja, ich entsinne mich dessen, ∆ sagte der Rittmeister, der trotz seines ver¬ hehlten Verdrusses lachen mußte. „Natürlich wollten wir“ fuhr sein Vater fort, „unter allen Umständen unsere Schuld abtragen; Forster be¬ tand aber darauf, wir sollten warten bis seine Tochter majorenn sei, und mußten ihm zugleich versprechen, dich nicht eher als etwa acht Tage vorher in das Geheimnis einzuweihen, von dem er ebenfalls nicht mit ihr sprechen wollte. Aber das ganze Versprechen hat uns fast noch mehr beschwert, als die Schulden¬ last. Eduard, das Gewissen deiner armen „ Mutter fuhlte sich bis zum Tede davon bedrückt, über dein Wohl und Wehe so leichtsinnig verfügt zu haben. Wir beab¬ sichtigten, unsere Schuld zu bezahlen und versuchten es mit allem Ernst; wir leb¬ ten so sparsam als möglich, behielten aber trotzdem nie etwas übrig, und als mein Vater starb hinterließ er mir auch nichts weiter, als mit Hypotheken und Schulden überlastete Ländereien, so daß ich niemals in die Lage kam, irgend eine Abzahlung zu leisten. Den Mut, an For¬ ster zu schreiben, gab mir meine drückende Lage ihm gegenüber unwill¬ kürlich nicht, und so habe ich all die Jahre hindurch — bis ganz vor kurzem erst nicht das Mindeste von ihm gehört. Deine Mutter aber erinnerte mich noch auf dem Totenbett an unser Versprechen und hinterließ mit ihrem Gruß und Segen noch die dringende Bitte, es zu erfüllen. heut' über acht Mein lieber Eduard — Tage wird Fräulein Forster mündig.“
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