Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

16 nach einem erregten öffentlichen Auftritt waren die Nachbarn sich spinnefeind. Das kam den Spekulanten sehr ge¬ legen. Jetzt bearbeiteten sie jeden einzeln und machten ihnen klar, daß, wenn er auf seinem Grund und Boden bohren lasse, er vielleicht die Quelle des Nach¬ bars erschöpfe. Und sie kamen zum Ziel. Jenkins versprach sein kleines Grund¬ tück dazu herzugeben und war mit nur 3000 Dollars zufrieden. Starbottle frei¬ lich stellte andere Bedingungen. Endlich einigte man sich auch hier, und für 13.000 Dollars ging die Farm, die nicht den zwanzigsten Teil wert war, in den Besitz der Spekulanten über. „Kalkuliere, daß Ihr ein feines Ge¬ schäft gemacht habt, als Ihr Starbottle das Ding abnahmt“, sagte der Sheriff und die Umstehenden, die auf Kosten des Käufers einen Cocktail nach dem anderen tranken, gaben dem Redner recht. Der Käufer selbst auch, denn gerade an die¬ em Tage floß der Brunnen besonders reichlich und gab ebensoviel Petroleum wie Wasser. In dieser Nacht schlief man im Ort tief und fest; denn der Konsum an alko¬ —— holischen Flüssigkeiten, zu deren Spen¬ dung auch Jenkins und Starbottle be¬ reitwillig beigetragen hatten, war außer¬ gewöhnlich stark gewesen. Als gegen Mittag des nächsten Tages die Gesell¬ schaft wieder zusammentraf, wurde das bisherige Gesprächsthema von der gegen¬ wärtigen und zukünftigen Oelproduktion durch ein neues abgelöst. Die Nichbarn waren nicht mehr da, sie hatten sich in der Nacht ohne weitere Zeremonien ent¬ fernt. Das einzige, was sie zurück¬ gelassen hatten, war eine weiße Tafel am Brunnen, auf der von einer ungelenken Hand die Worte gekritzelt waren: „Sams Quelle. Während es in den benebelten Ge¬ hirnen zu dämmern begann und das „Wöchentliche Erdbeben“ eine abermalige Extraausgabe vorbereitete und vorläufig die Ankündigung setzte, daß der Abon¬ nementspreis mit Rücksicht auf die unbe¬ mittelten breiten Volksschichten —der ganze Ort hatte gegenwärtig 104 Be¬ wohner — herabgesetzt würde, saßen die Entflohenen in eifrigem Gespräch etwa zwanzig Meilen von dem Schauplatz der Begebenheiten entfernt, im Schankraum neben dem Kontor des Dampferagenten zusammen. „Well, was ausgemacht ist, ist aus¬ gemacht,“ sagte Starbottle, „wir teilen kommt auf jeden Mann 8000 Dollars. Immerhin eine feine Summe, mit der man etwas anfangen kann. „Stimmt nicht ganz,“ antwortete Jen¬ kins, „ich werde doch nicht meine acht¬ zehn Faß Petroleum verlieren, die ich an das Geschäft gewendet habe.“ „Dafür habe ich mein Wasser her¬ gegeben. Samuel, der wie ein Aeffchen auf dem Tisch hockte und eifrig mit seinem Taschenmesser Späne aus der Platte geschnitzelt hatte, machte dem Streit ein Ende. „Es läutet schon wieder, rasch auf den Dampfer und laßt alles, wie es ist. Wahrhaftig, ihr versäumt noch die Ab¬ fahrt und die jetzigen Besitzer von Sams Quelle kommen euch auf den Hals. Vor¬ wärts, Papp, vorwärts Starbottle. Die beiden Kapitalisten trollten sich und Sam sprang hinterdrein. Und während das mächtige Flachboot den breiten Strom hinabfuhr, standen alle Bewohner der neuesten Oelstadt im Keller von Jenkins und sahen sich die Leitung an, die aus seinen nun leeren Fässern nach Starbottles Brunnen führte. 8 *

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