Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

12 Gläubiger nebst dem Gerichtspersonal schon eingefunden. Als der Freiherr das Zimmer seiner Mutter verließ, trat der Diener ihm schon mit der Meldung entgegen, daß Herr Löwi ihn bitten lasse, im Wappensaal zu erscheinen. „Also dort!“ murmelte Ewald, wäh¬ rend er über den Korridor schritt; „der Wucherer scheint entschlossen zu sein, mir keine Kränkung zu ersparen. Herr Löwi, der Friedensrichter, der Verwalter und auch zwei Schreiber hatten bereits an dem großen Speisetisch Platz genommen, sie erhoben sich nicht, als der Freiherr eintrat. In den dunklen Augen des jungen Mannes blitzte es zornig auf „Sie kennen das Urteil des hohen Ge¬ richtshofes von Köln?“ nahm der Richter im Tone geschäftsmäßiger Gleichgiltig¬ keit das Wort. „Ich habe also nicht nötig, Ihnen dasselbe nochmals vorzulesen. „Sparen Sie die Mühe, ich kenne den Spruch“, entgegnete der Freiherr kalt. „Bevor derselbe vollzogen wird, verlange ich, daß der Verwalter die Verwaltungs¬ bücher vorlegt.“ „Wozu?“ fragte Löwi. „Weil ich vermute, daß diese Bücher gefälscht sind.“ „Herr Baron, die Fälschung würde wenn sie wirklich vorläge, mit der Sache selbst nichts zu tun haben“, sagte der Richter. „Das Gericht hat die Abrech¬ nung des Verwalters revidiert und be¬ glaubigt. Auf Grund dieser Beglaubi¬ gung sind Sie fallit erklärt, die Herr¬ chaft wurde versteigert, und Herr Löwi aus Köln am Rhein, Ihr Hauptgläubi¬ ger, steigerte das Besitztum an. Sie er¬ halten aus diesem Verkauf einen Ueber¬ schuß von vierzigtausend Talern und haben es, nach meiner Ansicht, nur der Tatigkeit Ihres Verwalters zu danken, daß dieser Ueberschuß erzielt wurde. „In der Tat?“ erwiderte der Frei¬ herr mit unverkennbarem Hohn. „So wäre ich diesem Manne, den ich des Be¬ truges zeihe, Dank schuldig? Ihre Er¬ klärung kann mir nicht genügen; sind die Bücher gefälscht, so war es auch die Ab¬ 77 rechnung „Dies zu ermitteln hatten Sie vor dem Prozesse Zeit genug“, fiel Löwi ihm ins Wort. „Die Akten sind geschlossen.“ „Auch dann, wenn ich einen Beleg zu diesen Akten bringe, welcher beweist, daß die Herrschaft Assenborn durch Betrug um Ihren Besitz gekommen ist?“ unterbrach eine helle Stimme den zuversichtlichen Ton Löwis. Ewald wandte sich um, sein Blick fiel auf Marie, die an der Seite der Baronesse auf der Schwelle des Saales stand. Ein Blitzstrahl aus heiterm Him¬ mel hätte nicht größeres Entsetzen hervor¬ rufen können, wie diese Worte es taten. Der Verwalter blickte stier, mit weit¬ geöffneten Augen, das Mädchen an, während Löwi seine Aufregung hinter einem gezwungenen Lächeln zu verbergen suchte. Ewald hatte freudig überrascht sich dem rettenden Engel genähert. „Mein Fräulein, diese Beweise zu bringen, dürfte Ihnen unmöglich sein, sagte der Richter, den dieser Zwischenfall nicht aus der Fassung brachte. „Hier sind sie,“ entgegnete Marie, in¬ dem sie einen Brief entfaltete. „Hören Sie zu.“ „Mein Herr!“ — die Adresse trägt den Namen des Verwalters. — „Auf unsere mündliche Unterredung mich beziehend, bestätige ich Ihnen, unserer Absprache gemäß, hiemit schriftlich die getroffene Uebereinkunft, welche folgendermaßen lautet: Sie übergeben mir zwölf Schuld¬ scheine, jeder auf fünfzigtausend Taler lautend, von dem Freiherrn Ewald von Assenborn unterzeichnet, und tragen diese Summen als Empfang in die Verwal¬ tungsbücher ein, so daß diese Bücher einen Gesamtbetrag von einer Million Taler als meine Schuldforderung auf¬ weisen. Die Herrschaft repräsentiert, nach Abzug der beiden vor längeren Jahren aufgenommenen Pfandbriefe, einen Wert von zwei Millionen Taler, wenn wir die vor zwanzig Jahren erfolgte Abschätzung zugrunde legen, wofür ich durch meinen

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