Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

4 gerechnet, was ich an Vergütung be¬ komme für die Aufsicht über die Stöcke, die mir Leute aus der Marsch schicken, wenn die Heide erst so recht in Blüte steht.“ Fritz hörte diese Auseinandersetzung und Berechnung nicht zum erstenmale. Er wußte nur zu wohl, daß der gute alte Mann sich fast wie ein Kind Luftschlösser baute und sich an ihnen erfreute, so lange, bis sie ihm jählings zusammenstürzten. Indes sagte er nichts, was des Vaters rohe Aussichten hätte trüben können. Vom Dorfe her ertönte das erste Kirch¬ gangsgeläute. „Wir gehen doch wohl zusammen?“ fragte der alte Mann, mit der Hand leicht hinüberdeutend, seinen Sohn. „Ich weiß eigentlich nicht,“ entgegnete dieser halb unschlüssig nach den Häusern des Dorfes blickend; doch gleich darauf, als schäme er sich seiner Unlust, setzte er rasch hinzu: „Jawohl, Vater, wir müssen doch noch einmal zusammen in die Pre¬ digt; wer weiß, wann ich einmal wieder an einem Pfingsttag mit dir Kirchgang halten kann! Mutter geht wohl nicht mit, sie hat schon seit drei Tagen so viel mit meinen Sachen zu tun und zu wirtschaf¬ ten, daß ihr gar keine Zeit mehr bleibt. Und in der Tat sahen sie durch das Fenster, was drinnen in der Stube die alte Frau sich mit des Sohnes Hem¬ den und Strümpfen zu schaffen machte, dieselben auseinander nahm, wieder zu¬ ammenfaltete und die Sachen vom Tisch auf die Bank, von der Bank wieder auf den Tisch legte. „Laß sie nur!“ sagte der Vater; „du würdest sie doch nicht über¬ zeugen können, daß sie bis übermorgen noch Zeit genug hat, das bißchen Kram zu packen.“ * * * „Nun muß bald geschieden sein, Dore!“ sagte Fritz Jentzen am Nachmittag des¬ selben Tages zu seiner Braut, als er mit ihr in ihrem sauberen kleinen Stübchen aß. Dore führte einem ältlichen verwit¬ weten Vetter, der im Dorfe ein kleines Anwesen besaß, die Haushaltung und hatte sich vor ungefähr einem halben — eigent¬ Jahre mit Fritz Jentzen verlobt lich zu des Vetters Verdruß, denn dieser hatte im stillen selbst ein Auge auf die hübsche Verwandte geworfen, doch da er die Sache nicht ändern konnte, so mußte er sie wohl oder übel gelten lassen. Die jungen Leute redeten übrigens von ihrem Verspruch gegen andere eigentlich nicht. Sie wußten, daß sich zum Heiraten noch auf Jahre hinaus keine Aussicht bot, aber sie waren ja jung und konnten war¬ ten, bis sie durch angestrengten Fleiß so viel erworben hatten, daß sich ein beschei¬ dener Hausstand gründen ließ. Fritz hatte seit Jahren, wie die jungen Leute seines Heimatsortes und der um¬ liegenden Heidedörfer, sich den soge¬ nannten Hollandsgängern angeschlossen, die in jedem Frühling in großen Trupps den niederländischen Nachbarn ihre Dienste anboten und den Sommer über bei Kanalbauten, bei dem Torfstich und aller Art von landwirtschaftlichen Ar¬ beiten tätig waren, um dann im Herbste mit einer nicht geringen Summe Geldes heimzukehren. Leider bot der Winter in dem abgele¬ genen Dorfe allzu wenig Gelegenheit zum Verdienst, so daß das Ersparte in der Regel ganz oder doch zum größten Teile wieder zugesetzt werden mußte. Im Jentzen'schen Hause hatte zudem ahrelang ein brustkranker Sohn dahin¬ gesiecht, so daß jeder Groschen verdienten Geldes alsbald wieder hatte verausgabt werden müssen. Nachdem dann der arme Kranke sein müdes Haupt zur ewigen Ruhe gebettet, hatte der Unfall, von dem im Laufe des Frühjahrs der ältere Sohn betroffen worden, die Eltern mit der bangsten Sorge um ihre Zukunft erfüllt. Zum Glück war, wie wir vernommen. das gefürchtete Unheil gnädig abgewandt worden und Fritz, die Freude und der Stolz ihres Alters, wieder so frisch und „ kraftig wie zuvor. Dore sah bei der etwas trübsinnig lautenden Bemerkung mit ihren lachenden Augen zu ihm auf. „Aber Fritz, du tust ja, als ob uns Wunder was für ein Unglück bevorstände! Denk' nur.

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