1 Aus Haß. Erzählung aus einem Heidedorfe von Eugen Simson. Nachdruck verboten. ersehen worden und wer sich bewußt war, eber dem Heidedorfe lag noch 510 60 auf irgend eine Weise sich unbeliebt ge¬ Be ein graue Morgendämmerung; macht zu haben, der sah mit einiger Sorge öst¬ schmaler roter Streifen am B dieser verhängnisvollen Nacht entgegen. der lichen Himmel verriet, daß Denjenigen Dorfinsassen aber, die sich Sonnenaufgang nicht mehr fern. Kein Ton daß Mißfallen der jungen Leute zuge¬ ließ sich hören weit und breit, als vielstim¬ zogen hatten, blickte am ersten Fest¬ miges Jubeln und Trillern der Heidelerchen, tagsmorgen eine große Strohpuppe, ein das ohne einen Augenblick Aufhörens er¬ „Strohkerl“, in das Fenster oder die schollen war, seit sich das nächtliche Dun¬ Haustüre. Es galt nun für die Betref¬ kel nur um ein weniges gelichtet hatte; — so fende, die unliebsame Bescherung es war, als ob die kleinen Sanger es rasch wie möglich zu beseitigen; aber sel¬ eigens darauf abgesehen hätten, der schla¬ ten gelang dies, ohne daß neugierige enden Welt den Pfingstmorgen zu ver¬ Augen das ungefüge Geschöpf erspähten kündigen. Allmählich tat sich hie und da und spottlustige oder auch boshafte Zun¬ im Dorfe eine Haustür oder ein Fenster gen die interessante Tatsache im Dorfe auf, ein Mädchenkopf streckte sich halb verbreiteten. neugierig, halb ängstlich vor, blickte sich Im Hause des Nettelmeiers war daher nach allen Seiten um und verschwand ein förmlicher Aufruhr entstanden, als dann rasch wieder. Zwei der Mädchen, die Magd beim Oeffnen der Seitentür die im gleichen Augenblick die Türschwelle kreischend gerufen hatte: „Ein Kerl! Ein überschritten hatten und auf die Straße Strohkerl!“ In der Kammer, welche die getreten waren, nickten einander lachend Tochter des Hauses bewohnte, war hastig zu. „'s ist gut gegangen diesmal! Man ein Fenster aufgerissen worden; ein Blick hat sich umsonst geängstigt!“ genügte der Hinausschauenden, um sie „Ob denn alle verschont geblieben erkennen zu lassen, daß das Ungetüm, sind?“ setzte die eine von ihnen, eine welches mit weit ausgespreizten Armen dralle junge Dirne hinzu, indem sie ihre in einem nahestehenden Baume, gerade neugierigen runden Augen überall her¬ ihrem Fenster gegenüber, hing oder umwandern ließ; „es ist eigentlich lehnte, keiner anderen, als ihr selber zu¬ schlecht, aber wenn's nur einen selbst gedacht sein konnte. Die Magd schrie nicht trifft, das Lachen kann man doch wiederum, so laut sie nur vermochte: „Ein nicht lassen.“ Strohkerl! Ein Strohkerl!“ „Na, es ist dafür gesorgt, daß du Aus dem Hause polterte im gleichen lachen kannst!“ meinte die andere gleich¬ Augenblicke, so rasch, daß ihm einer seiner mütig und zeigte nach einem etwas ent¬ — plumpen Holzschuhe von den Fußen fiel, fernt von den übrigen stehenden Bauern¬ die koboldartige Gestalt eines halbwüchsi¬ hause hinüber, vor dem sich eine Reihe gen Jungen, der, sobald er, mit seinen schöner Linden erhob; „da sieht ein wasserblauen Augen der von dem Mäd¬ Strohkerl geradewegs in das Fenster chen angedeuteten Richtung folgend, den von Nettelmeiers Kathrine hinein!“ Unhold im Baume erspäht hatte, in ein Die Inwohner des Hauses mußten fast grelles Gelächter ausbrach und vor Ent¬ zu der nämlichen Zeit entdeckt haben, zücken anhob, sich im Kreise zu drehen, welche Bescherung ihnen über Nacht zu wobei er mit einer Stimme, die fast einem so teil geworden; die Pfingstnacht war, Grunzen glich, einmal übers andere lange man denken konnte, von dem über¬ wiederholte: „Ein Kerl! O je, ein Kerl, mütigen jungen Volk des Dorfes zu für Kathrine! allerlei Kurzweil und Schabernack aus¬
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