Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

Pyhrnbahn. Erfreulicherweise ist diese Angelegenheit wieder um ein gutes Stück nach vorwärts gegangen, indem auf Grund des vom Abgeordnetenhause beschlossenen Gesetzes sowohl seitens des Verwaltungs¬ retes der Steyrtalbahn wie der Staats¬ Eisenbahnbau=Verwaltung zur Finalisierung des Bahnausbaues von Agonitz bis Klaus die nötigen Schritte unternommen wurden, welche bereits zur Trassenrevision und Verfassung des Detailprojektes der Bahn¬ inie führten. Die Ausführung dieser Ar¬ beiten wurde seitens des Eisenbahn=Mini¬ steriums der Eisenbahnbauleitung Windisch¬ garsten übertragen. Ueber die hiebei zu uberwindenden Bauschwierigkeiten sei fol¬ gendes bemerkt: Die Linie Agonitz—Klaus entwickelt sich von Agonitz bis in die Nähe der aufgelassenen Kremstalbahn=Station Herndl an dem linksseitigen, sehr steilen Gehänge des Steyrflusses, an welchem auch die Steyr—Leonsteiner Landstraße sich hin¬ zieht. Diese steile Lehne, mit den in dieselbe tief eingerissenen Seitengräben und Seiten¬ tälern, das ist der Finstergraben, Plan¬ graben, Demlauergraben, Tiefengraben und Herndlgraben, erfordert besonders kost¬ spielige und schwierige Anlagen und Brücken¬ bauten. Es ergibt sich ferner in unmittel¬ barer Nähe des Tiefengrabens auch die Notwendigkeit der Anlage eines Tunnels durch einen stark vorspringenden Gelände¬ rücken. In der eben beschriebenen fünf Kilometer langen Teilstrecke kommen dem¬ nach Bauschwierigkeiten vor, deren Ueber¬ wvindung Zeit in Anspruch nimmt und ohne taatliche Mithilfe nicht durchführbar ge¬ wesen wäre.—Auf Grund der in der außer¬ ordentlichen Generalversammlung der Steyr¬ talbahngesellschaft vom 22. November 1905 dem Verwaltungsrate erteilten Ermächtigung wurde die Konzession für den Bau und Betrieb der Fortsetzungslinie erworben und sodann das Uebereinkommen, betreffend die Beteiligung des Staatsschatzes an der Ka¬ pitalsbeschaffung, mit der hohen k. k. Staats¬ verwaltung abgeschlossen. Weiters wurde eine Aktion zur Wieder¬ Errichtung eines Zollamtes in Steyr eingeleitet, welche Aussicht auf Erfolg hat. Das in Steyr bestandene Zollamt wurde im Jahre 1861 aufgehoben. Von großer. Bedeutung für Steyr ist ferners die ebenfalls in diesem Sommer in Fluß gebrachte Frage, betreffend den Neu¬ bau eines Justizgebäudes, zu dessen Errichtung die ersten Schritte unternommen wurden. Der Gemeinderat der Stadt Steyr erklärte sich in seiner Sitzung am 11. Mai bereit, dem k. k. Justizärar 34.245 K zu zahlen, wenn in Steyr ein neues Justizgebaude gebaut und die demselben seinerzeit gratis zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten im Ex=Zölestinergebäude in 189 der Berggasse der Stadtgemeinde wieder zur Verfugung zurückgegeben werden. Die Lösung dieser Frage ist in absehbarer Zeit zu gewärtigen. Ueber Einladung des Bürgermeisters Viktor Stigler fand in Steyr am 31. Mai m Rathaussaale eine Versammlung von Telephon=Interessenten statt, behufs Beitrag¬ leistung zur Errichtung einer neuen Telephonleitung von Steyr über Seitenstetten nach Amstetten, wo¬ durch eine direkte Linie Steyr —Wien geschaffen würde, welche ein großer Vorteil in verschiedener Richtung wäre. Hiezu ist ein Interessentenbeitrag von 4060 K erforder¬ lich, welcher bis auf 600—800 K gedeckt erschien, welchen Restbetrag die Stadt¬ gemeinde Steyr auf sich nahm. Zur Errichtung einer Produktiv¬ im Genossenschaft der Messerer Steyrer Industriebebezirke stellte der oberösterreichische Landtag im November vorigen Jahres, unter Voraussetzung der Erfüllung verschiedener Bedingungen, einen Kredit von 150.000 K aus Landesmitteln in Aussicht, mit dem Vorbehalte, daß dem nächsten Landtage die festzusetzenden Um¬ tände, Einrichtungen und Verhältnisse dieses Genossenschaftsverbandes zur Genehmigung vorgelegt werden. Das k. k. Handels¬ ninisterium bewilligte hiezu eine Summe 55.000 K. von Leider gelang es vorläufig nicht, die Erbauung einer Meisterwerkstätte für Stahlschneidekunst in Steyr, in welcher der rühmlichst bekannte Steyrer Stahlschneidekünstler Michael Blümel¬ huber sein Kunsthandwerk betreiben und Nachfolger heranbilden könnte, zu verwirk¬ lichen. Der oberösterreichische Landtag be¬ willigte zwar, unter Voraussetzung einer entsprechenden Beitragsleistung des Staates, ur Herstellung des Baues den erforderlichen Betrag von 50.000 K und einen Jahres¬ beitrag von 3000 K zur Bestreitung der Fortführung der Meisterschule und es wäre wohl auch der auf lokale Faktoren ent¬ fallende Beitrag von 1250 K aufzubringen gewesen, aber die k. k. Staatsverwaltung verweigerte die ihr zugedachte Leistung einer Jahressubvention von 4250 K in der Be¬ ürchtung, daß die Absolventen dieser An¬ stalt keinen Absatz für ihre Erzeugnisse finden würden, da sich die Stahlschneidetechnik nach Ansicht von Fachleuten wegen des chwierigen, zeitraubenden und kostspieligen Arbeitsprozesses für eine weitere Verbreitung unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht eigne. Michael Blümelhuber wurde vom Staate nur eine Jahressubvention von 2000 K in Aussicht gestellt, wenn er wenig¬ stens einen Schüler (Lehrling oder Gehilfen) nachweise, der sich unter seiner Leitung in der Technik des Stahlschnittes ausbilde.

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