108 Bruchgolde, auch er betrachtete es genau und seine dunklen Augen funkelten in seltenem Feuer, als er jetzt hastig in den Rock griff und dort herumsuchte. Endlick brachte er ebenfalls ein kleines Päckchen zum Vorschein, riß in großer Hast die Leinenhülle weg und paßte dessen Inhalt an das goldene Stück, das ihm der Grenzgraf soeben gegeben hatte „Das Armband meiner Mutter“ sagte er einfach und hielt die, wie man nun sah, feine byzantinische Arbeit dem Grenzgrafen hin. „Auf ihrem Sterbebette brach meine Mutter das Armband entzwei gab die Hälfte mir, die andere meinem Bruder Thudun und sagte: „Geteilt, ist nichts —seid eins, meine Söhne einig unter euch, eins für euer Volk!“ Thudun und ich waren immer eins, jetzt sind wir nicht eins, denn wir sind ge¬ teilt, ich hoffe aber, daß wir wieder eins werden! Der Grenzgraf schien seltsam bewegt zu sein. Er war bei den letzten Worten des Avaren aufgestanden, nahm die Hälfte des Armbandes, welche er von Batbat erhalten hatte, an sich, reichte dem Avaren seinen Teil und sich in seiner gewaltigen Größe aufrichtend, nahm er die Sturm¬ haube ab und sagte ernst und feierlich: „Du hast recht; Zauch und Thudur sind durch meines allerhöchsten Herrn Gnade wieder eins — Zauch, ich begrüße dich im Namen meines Kaisers als den mächtigen Chan der Avaren und hoffent¬ lich treuen Bundesgenossen der Franken Auch du und ich sind nun eins!“ Und der Grenzgraf schüttelte dem stumm, aber gewaltig bewegt dastehenden Zauch kräftig die Hand. V. Während Pipin und Rupprecht in das Lager hinauseilten, um die Gesandt¬ schaft der Avaren zu ihrem Chan herein¬ zuholen, erklärte Graf Werinhar in Kürze seinem einstigen Gegner den Zusammen¬ hang der Ereignisse und Zauch nickte nur wieder und meinte ruhig: „Ich wußte es, daß es so kommen werde“, und als er den leicht fragenden Blick Werinhars gewahrte, deutete er auf einen Mann im Hofe, der auf einem Schiebkarren Grünfutter gegen den Stall rückwärts hinschob. Sieh, tapferer Graf Werinhar“ sagte er, „betrachte die Speichen dieses Rades in ihrem Laufe. Immer ist eine ganz unten, aber sie kommt wieder hinauf, muß hinaufkommen, sonst könnte das Rad sich nicht bewegen. Des Menschen Geschick gleicht den Speichen eines Rades, einmal tief unten, elend und verlassen, dann geht es wieder aufwärts zur Höhe des Lebens Auch mir war jetzt in meinem Geschicke die Speiche unten — nun dreht sie sich wieder nach oben! „Wahr“, meinte der Grenzgraf bei¬ stimmend, „auf Regen folgt Sonnenschein, sagen wir Franken, und wohl dem, der nicht verzagt —hollah, da sind deine Leute! Durch das Tor kamen die fünf Avaren in feierlich gemessener Weise und im reinen Lichte des Mondes erglänzten ihre Waffen und funkelten die Edelsteine ihrer Prachtgewänder, die sie eiligst angelegt hatten. So kamen sie in fast demütiger Hal¬ tung zu Zauch heran, der, hoch aufge¬ richtet, blitzenden Auges, die Hand am Schwert dastand, wieder ein freier Mann, knieten vor ihm nieder, neigten die Häupter und Batbay sagte laut und im ganzen Hofe vernehmlich: „Mein Fürst — dein Volk sendet uns, dir zu huldigen — Glück und Segen über deine Herrschaft!“ „Wir wollen es uns erhoffen“, er¬ widerte der Chan mit vor Erregung leicht zitternder Stimme, „steht auf, wir haben vieles zu beraten — aber nicht hier, ich führe euch hinauf zu jenem Stein, der meine jetzige Wohnung verschloß. Dort war Zauch auch als Geisel ein Herr würdig in aller Armut, dereinst der Avaren Chan zu sein!“ Und nach einem mit Graf Werinhar gewechseltem Händedrucke führte der Chan sein Gefolge in seine Behausung „am Stein“ Als sie den] Teil des Hofes erreichten,
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