98 Hof, war ein Turm hinaufgebaut, wohl weniger zum Auslug, den ja der Wald verhinderte, als zur Wehr, als Zufluchts¬ ort im Augenblicke eines feindlichen Ueber¬ falles. Diese Ansiedelung barg Wohnungen, Stallungen und Vorratsräume; ein Sträßlein, wohl fast beschwerlicher zu wandern als durch den ungelichteten Forst, führte am Tore vorbei und abwärts gegen das heutige Gleink waren einige dürftig bebaute Felder, die an einem Sumpfe endigten*), durch dessen schilfbe¬ wachsene Ufer jetzt die grellen Strahlen der sich zum Untergange anschickenden Sonne das sonst trübe Wasser wie golden durchglitzern ließen. Am Steg, der in das tiefere Wasser führte und wohl zum Wasserschöpfen und Wäschereinigen dienen mochte saß ein Junge, stämmig, sehnig trotz seiner etwa 20 bis 22 Jahre voll Kraft und Leben, in kurzen Lederhosen und abgetragenem Lederwams, bar¬ häuptig, das lange blonde Haar in wirren Ringeln um das frische Gesicht und die forschenden Augen aufmerksam auf die Schnur seiner Angel gerichtet, und fischte. Am Ende des Ladens, auf dem er saß, am Lande, stand ein kleines, roh aus Weidenruten geflochtenes Körbchen, wohl zur Aufnahme der gefangenen Fische bestimmt, und darüber lag ein kurzes, breites Schwert, ein Zeichen, daß der fischende Junge ein Freier war, kein Leibeigener wie das auch sein ganzes selbstbewußtes Gehaben zeigte. Wie der junge Mann so dasaß und seine ganze Aufmerksamkeit dem Fischen zuwandte, kam auf dem Pfade, der von der Ansiedelung herabführte, ein junges Mädchen mit einem Wassereimer daher, den sie spielend in den kräftigen Armen hin und her warf. Es war ein kräftiges hübsches Ding, wohl so zwei Jährchen jünger wie der Bursch, aber stämmig wie er, und der Schalk lachte ihr aus den braunen Augen. Auch sie war dürftig aber nicht ohne weibliches Geschick gekleidet und leicht hüpfte sie über spitze Steine und grobe Erdschollen hinweg, drohten ihren nur mit roh gearbeiteten Sandalen *) Vielleicht der heutige Fischweiher in Gleink. bedeckten Füßen auch arge Verletzungen. Kleid und Miederjacke hielt um die Mitte ein Gürtel aus rohem, von der Sonne und vom Regen ganz dunkel gewordenem Leder zusammen, aber daran blitzte eine ilberne Schnalle und um den gebräunten Hals trug sie ein leichtes, silbernes Kettlein mit einem Kreuzchen daran — ein Zeichen, daß auch sie freier Leute Kind war. Wie das Mädchen den Burschen so welt¬ vergessen dasitzen und fischen sah, blitzte der Schalk in ihren Augen lebhaft auf, sie chlich, jedes Geräusch sorgfältig ver¬ meidend, zu dem Fischer hin, setzte ihm als sie knapp hinter ihm war, den leeren Wasserkübel auf den Kopf und fragte mit verstellter Stimme, sich fast schüttelnd vor Lachen: „Wer ist's?“ Der junge Mann fuhr wohl so etwas wie erschrocken zusammen, griff aber nach seinem Kopfe und sich bemühend, seine eigenartige Kopfbedeckung abzunehmen, sagte er halb ärgerlich, halb lachend: „Ist doch wohl nit schwer zu erraten wer das ist! Pipins Reta*) — natürlich! „Natürlich, ich“, spottete das Mädchen „sonst kann's ja gar niemand sein — über¬ all, wo etwas Schlechtes los ist, muß ich dabei gewesen sein, na, da, guck in die Sonne! Lachend hob sie ihm den Wasserkübel vom Kopfe und warf ihn in das Wasser, daß es aufplätscherte und an seinem Lederwams große Wassertropfen perlten; beide sahen sich an, lachten wie die Kinder und er sagte, auf einen großen Fisch deutend, der ob des Geräusches, den das ins Wasser fallende Schaff ver¬ ursacht hatte, entsetzt davonschwamm: „Hatte ich nicht Recht? Da schwimmt er hin und ich sitz seit einer Stunde da und angle umsonst!“ „Ach, was“ meinte Reta, leicht die Achseln zuckend, „laß den dummen Fisch chwimmen wohin er will — hilf mir Wasser schöpfen und den Kübel tragen, dann fangen wir was Besseres.“ So? Was denn?“ fragte er, ge¬ horsam den Kübel mit Wasser füllend *) Margareta.
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