Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

Enthebung vom Oberkommando meiner Land¬ wehr, welches Sie durch 34 Jahre mit edelster Hingebung und zum erfolgreichsten Gedeihen der Institution, als leuchtendes Muster aller militärischen Tugenden geführt haben. Indem ich Ihrer Bitte willfahren muß, sehe ich mit Euer Liebden, der Sie nun durch fast 63 Jahre mit nie erlahmendem Eifer gewirkt haben, einen jener Vielbewährten, welche mir im Wandel der Zeiten, in guten wie in trüben Tagen mit Rat und Tat treu zur Seite standen, zurücktreten. Ich vermag die dankerfüllte Anerkennung, welche ich Ihnen schon oftmals bekundete, nur in dem Herzenswunsche zu fassen: der All¬ mächtige schenke Euer Liebden noch viele gute Jahre erfreuenden Rückblickes auf Ihre so er¬ hebende Vergangenheit. Wien, am 2. Mai 1906. Franz Josef m. p.“ Der Rücktritt des Erzherzogs Rainer vom Kommando der österreichischen Landwehr kam nicht überraschend; der kaiserliche Prinz ist nahezu achtzig Jahre alt und hatte schon wiederholt, trotzdem er körperlich noch wohlauf und rüstig, sein Bedürfnis nach Ruhe geäußert. Durch volle vierunddreißig Jahre ist Erzherzog Rainer an der Spitze der österreichischen Landwehr ge¬ tanden; die Stellung bot ihm ein weitesFeld zur Entfaltung seiner reichen organisatorischen und administrativen Fähigkeiten und was die österreichische Landwehr heute ist, ein mächtiger Faktor der österreichischen Wehrmacht, das hat sie zum großen Teile der Fürsorge und den steten Reformen des Erzherzogs Rainer zu dan¬ ken. Erzherzog Rainer wurde als Sohn des Vizekönigs der Lombardei, Erzherzogs Rainer, am 11. Jänner 1827 in Mailand geboren und trat im Alter von 17 Jahren in den Dienst der Armee. Im Jahre 1857 erhielt er die Berufung, das Präsidium des ständigen Reichsrates zu übernehmen, und im Jahre 1860 leitete er die Verhandlungen des verstärkten Reichsrates; vom Jahre 1861 bis 1865 war er Präsident des Ministerrates. Er stand an der Schwelle des konstitutionellen Oesterreichs und unter seiner Aegide hielt die neue verfassungsmäßige Aera ihren Einzug in Oesterreich. Im Jahre 1866 nahm Erzherzog Rainer Anteil an den Kämpfen 83 ihm in Italien; am 20. Juni 1872 verlieh dann der Kaiser das Oberkommando der Land¬ wehr der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder. Unter den Reformen, die Erzherzog Rainer eingeführt, sind, um nur einigezu nennen, die Vereinigung der Bataillone zu Regi¬ mentern und die Ausbildung der Kavallerie; dem Unterrichte in den Kadettenschulen wendete der Erzherzog gleichfalls stets sein besonderes Augen¬ merk zu. Alle die Erfolge, die Sicherung eines verläßlichen Offiziersnachwuchses, die Vertiefung der Ausbildung, die sorgsame Verwertung jedes militärischen Fortschrittes waren nur möglich bei der nie rastenden Tätigkeit des Erzherzogs welcher die Landwehr als seine Lieblingsschöpfung betrachtete. Stets setzte er sich persönlich für sie ein. Seine großen Bezüge als Landwehroberkom¬ mandant widmete er immer der Gesamtheit der Landwehr; er errichtete Stiftungen für die Kinder aktiver und nichtaktiver Landwehroffiziere. Ebenso wohltätig gestaltete sich eine andere Grün¬ dung des Erzherzogs, der Offiziers=Spar= und Darlehensfonds der einzelnen Landwehrtruppen¬ kötper, welcher namhaften Beiträgen des Ober¬ kommandanten seine Entstehung verdankt. * * * Die Stadt Kufstein beging im Juli 1905 in feierlicher Weise den Gedenktag ihrer Einnahme durch Kaiser Maximilian vor 400 Jahren. Am 19. September 1905 erfolgte zum ersten¬ male die Besetzung der für Wien neu kreirten III. Vizebürgermeisterstelle. Die Wahl fiel auf den Kandidaten der christlichsozialen Partei Hein¬ rich Hierhammer. Am 8. Oktober 1905 wurde in Wien der Mozartbrunnen, ein Werk des Architekten O. Schönthal und des Bildhauers C. Wollek, am 27. Oktober ebenfalls in Wien das Denkmal des Historienmalers Hans Canon, ein Werk des Bildhauers Prof. Rudolf Weyr, enthüllt, Werke von denen letzteres eine wahrhaft künstlerische Zierde der alten Habsburger=Residenz bildet. Am 21. Mai 1906 wurde in Budapest in Anwesenheit des Kaisers Franz Josef das St. Stefansdenkmal auf der Fischerbastei ent¬ hüllt. Dasselbe ist ein Werk des Bildhauers Alois Strobl und des Architekten Professor Friedrich Schulek. 6 *

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