Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

58 Bewußtsein, daß kein Geringerer als der König selbst für den Ruhm der deutschen Ritterschaft und zur Ehre des ganzen deutschen Volkes in die Schranken treten wollte! Brausender Jubelruf begrüßte da¬ her den edlen Kaiser, da er in strahlen¬ der Rüstung auf schwarzem Streitroß einritt und aus Scharffensteins Händen einen Schild entgegennahm. Dumpfes Schweigen dagegen empfing den französischen Ritter. Man flüsterte ich zu, er habe sich geweigert, mit dem Kaiser zu kämpfen, aber endlich, nach¬ dem die Herolde ihm erklärt, er müsse !“ sich dann überhaupt für besiegt erklaren, doch zu den Waffen gegriffen und sich von seinem Leibknappen die Lanze reichen lassen. Es war ein Hüne von Gestalt, selbst der hochgewachsene Maxi¬ milian sah fast klein und schwächlich ihm gegenüber aus; sein Schild zeigte den Eberkopf als Wappenschild, umkränz — von den Farben von Frankreich „Semper victor“, „Immer Sieger stand um den Rand herum in erhabener silberziselierter Arbeit! Sein Streitroß, gleichfalls ein Rappe, wie es schien von normännischem Blut, schien schwer und etwas ungelenk, aber er wußte das schöne Tier gar vortrefflich zu beherrschen. Lautlose Stille herrschte, als jetzt der Hornstoß das Zeichen zum Anlauf gab nicht mehr für ein Spiel, sondern für einen scharfen Kampf. Gerade in der Mitte der Schranken prallten die Kämpen zum erstenmale mit lautem Gekrach aufeinander. Sie hatten beide gut getroffen, ihre Lanzen waren bis auf den Schaft zersplittert und fast schien es zuerst, als seien beide Reiter zum Sturz gekommen, da die gewaltige Erschütterung jedes Roß zurückwarf. Aber sie waren einander an Gewandtheit fast gleich, das sah man, als sie jetzt mit Zügel und Sporen ihre Tiere aufrichteten und zurücksprengten, um die zerbrochenen Lanzen gegen neue zu vertauschen. Und wieder sprengten sie aufein¬ ander, und wieder zersplitterten beider Lanzen gerade in der Mitte der festen Schilde! Es war eine Aufregung ohne Gleichen unter den Zuschauern. Weit über die Brüstung beugten sich die Frauen, die Edlen auf den Galerien aber drängten sich in Gruppen zusammen und berieten leise, ob man nicht ein Ende machen müsse, da des Herrn Leben doch zu kostbar sei. Jenseits der Schranken aber hatte das Volk längst die Reihen der Zelte durchbrochen, da niemand es zurückhielt, und drängte bis dicht an die Tore in atemloser Erwartung. Und zum drittenmale nahmen die Kämpfer neue Lanzen zur Hand und rannten an, aber gleichsam, als ob der König seinen Gegner bisher nur habe in Sicherheit wiegen wollen, wählte er dies¬ mal ein anderes Verfahren. Im Augen¬ blick fast, als des Franzmanns Speer einen Schild berührte, hob er die Lanze, und mit festem Stoß gerade auf das Helmfenster treffend, zersprengte er jenem die Sturmbänder und stieß ihm den Helm selbst mit solcher Gewalt vom Haupte, daß der Helm weithin in den Sand rollte, indes der Stoß des Gegners am Schilde Maximilians abglitt! Und während stürmischer Beifallsruf die Luft durchbrauste, hatte der König schon sein Schwert aus der Scheide gerissen und den unbehelmten Gegner mit gewaltigem Arm bedrohend dessen Ergebung ge¬ fordert. Herbei eilten jetzt auch die Herolde und erklärten unter nicht enden¬ wollendem Jubel den Sieur de Barres für besiegt und für den Gefangenen des Königs, „also daß dieser mit ihm tun und lassen könne, wie es ihm beliebe.“ Und zähneknirschend, bleichen Angesichts mußte der Franzose sein Knie beugen und sich für gedemütigt bekennen, indes Maximilian, hoch im Sattel sich auf¬ richtend, auf ihn deutend ausrief: „Also soll es jedem ergehen, der deutsche Ehre und deutsche Tapferkeit zu schmähen wagt — im Staube soll er den Ruhm deutscher Ritterschaft und die Kraft deutschen Armes bekennen!“ Das war der stolzeste Tag zur Zeit des Reichstages Anno 1495 zu Worms am deutschen Rheine!

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